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Na, das war vielleicht ein Jahr. 2023 – what a ride! Nicht alles ist so gelaufen, wie ich mir das gewünscht hätte und vieles ist (leider) auf der Strecke geblieben. Dennoch danke, 2023, Du hast mich viel gelehrt.

Aber jetzt: Willkommen 2024! Das Jahr ist noch jung und die ersten hoffnungsfrohen Erwartungen sind schon formuliert:

Lese ich da, es möge alles wieder so werden, wie es einmal war? Permanentes Wachstum mit stabilen, berechenbaren Preisen sowie ein Arbeitsmarkt wie man ihn kannte. Ich will dem Wirtschaftsforscher nicht gegenreden, doch irgendwas scheint da den alten Regeln nicht (mehr) folgen zu wollen:

Schneller, Höher, bumm. 🧨

Dass sich gerade Manches ungewöhnlich verhält, es unvorhersehbare Überraschungen birgt, fällt mir schon länger auf.

Und dennoch halten wir an Altbekanntem hoffnungsfroh fest. Die Jagd nach (weiterem) Wachstum, besseren Angeboten und effizienter Optimierung scheint also noch nicht abgesagt, und geht dann noch nicht (mehr) so auf wie gewohnt: Unternehmen schmücken sich medial noch immer mit neu geschaffenen Jobs. Allein, sie können sie nicht mehr (rechtzeitig) besetzen. Umsatzrekorde werden angepeilt. Und doch nascht Inflation am Deckungsbeitrag gehörig mit.

Alte Regeln, (scheinbar) gesicherte Zusammenhänge und tradierte Werte werden brüchig. Der Arbeits- wie auch Produktmarkt werden immer schneller und kurzfristiger. Kundenverhalten ist kaum mehr prognostizierbar, Bewerber:innen stellen unerwartete Forderungen.

Was ist da nur los mit den Menschen?

Die ich rief, die Geister…

Sind es wirklich (nur) die Menschen? Oder sind es unsere (selbstgeschaffenen) Systeme?

Mit all unseren bemühten Versuchen in Unternehmen, mit Schnelligkeit und Komplexität zu Rande zu kommen, machen wir es noch schlimmer. In dem wir mehr vom Selben machen und Bekanntes perpetuieren, nur eben schneller, heizen wir die Spirale noch weiter an.

Wir schaffen gemeinsam Ergebnisse, die niemand will.

Otto Scharmer

Dazu kommt: Flexibilisierung, Digitalisierung, Individualisierung verwässern “das Normale” und erheben Vielfalt zum Prinzip. Das fordert Menschen, weil sie nach Orientierung suchen (die “das Normale” nicht mehr geben kann). Das (über)fordert Menschen, weil nicht nur der Job, sondern auch Organisationen und das ganze Leben vielfältiger geworden ist. Es verschwinden die Schablonen, die “man etwas zu machen hat”. Die Folgen sind dann z.B. Rückzug ins Kleine oder vermehrte Teilzeitarbeit (tatsächlich oder auch nur emotional). Jedenfalls sorgt dies alles für persönliche Belastung durch hohen Mental Load – mit all seinen Folgen.

Das System ist nicht mehr funktional und schafft unter diesen Rahmenbedingungen nur eines als Ergebnis in Organisationen: eine hohe Arbeitsverdichtung. Gerade einige Ausformungen der 4-Tage-Woche verdichten im Geiste der Zukunftsfitness noch weiter, indem sie Arbeits- und Meetingeffizienz noch weiter hochtreiben. Fit für welche Zukunft?

Es fehlt uns an “slack time” an allen Enden, also Zeit ohne direkten Output wie z.B. für menschliche Begegnungen, Reflexion und weiter Lernen. Oder wie Stephen Covey es mal formulierte, es fehlt uns die Zeit zum Sägeschärfen. Zusätzliche Nebenwirkung: wir sind so beschäftigt, dass es uns kaum auffällt, was hier im und mit dem System passiert.

HR weiß es (vielleicht), macht es aber auch nicht besser

Und damit geht es uns HR Profis auch nicht anders. Im Personalmanagement stiegen die Ansprüche gerade in den letzten Jahren derart, dass eine rechtzeitige Erledigung der laufenden Aufgaben schon ein Erfolg ist. Weiter- oder Neuentwicklungen sind die Kür, zu der kaum noch jemand kommt. Aber davon weiß ich nur aus den Medien. 😉

Es bleibt also auch in HR (zu) wenig Zeit im Alltag für Kommunikation, Orientierung und Experimente für Innovation. Und das ist genau das, was wir alle dringend bräuchten.

Pfirsichflaum als Farbe des Jahres 2024

So überrascht es nicht, dass Pantone heuer Peach Fuzz 13-1023 als aktuelle Trendfarbe auserkoren hat – ein Farbton, der

unser Verlangen nach Zusammengehörigkeit mit anderen oder den Wunsch nach einem Moment der Stille und das dadurch entstehende Gefühl der Ruhe und Sicherheit ausdrückt.

pantone.com/de

Überrascht hat hat mich allerdings die schon fast spirituelle Begründung dafür:

Peach Fuzz 13-1023 ist ein samtiger, weicher Pfirsichfarbton, dessen allumfassende Aura unserem Herzen, unserem Geist und unserem Körper guttut.

pantone.com/de

Organisationen als Gesundheitsoasen und Wellnesstempel?

Was bedeutet dies nun für Personalarbeit 2024? Ab nun alles pfirsichrosa statt rosarot?

Tatsächlich scheinen (Mental) Health, Adaptivität und Resilienz gerade die Trendthemen im Employer Branding wie auch in Corporate Learning zu sein. Ist Wellness nun der neue Obstkorb? Und damit der neue Inbegriff von New Work?

Wahrscheinlich nicht, denn nur ein neuer Anstrich unseres Tuns in Organisationen ändert nichts in der Substanz. Etwas Pfirsichton in den bekannten Farbtöpfen reicht da nicht aus.

Longing for Belonging

“Longing for Belonging” war das Motto des letztjährigen Corporate Culture Jams – und umschreibt schon gut, worum es künftig im Wirtschaften gehen könnte. Um Zugehörigkeit, um Identität (zumindest Indentifizierung), um Verbundenheit – mit uns selbst, mit unseren Kolleg:innen, mit unserem Job, mit unserem täglichen Tun. Nur das ergibt (den viel beschworenen) Sinn.

Denn wenn (zu) Vieles möglich wird und sich alles flexibilisiert, bleibt das einzig Stabile nur wir selbst – und unsere (echten) Beziehungen zueinander. Und das gilt eben auch für Organisationen. Und bringt uns von einer Just-A-Job-Haltung zur Sinnlichkeit der eigenen Aufgabe für ein großes Ganzes.

Peach Fuzz ist auf subtile Weise sinnlich. Er vermittelt ein Gefühl der Liebenswürdigkeit und Zartheit, eine Botschaft der Zuwendung und des Teilens, der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit.

pantone.com/de

Dafür reicht es aber nicht, einfach Selbstklarheit und Beziehungsfähigkeit in die Liste der Future Skills zu parken. Oder das nächste Trainingsprogramm zu Empathie, Resilienz, Adaptivität oder gar Agilität durch die Hallen zu jagen. Das ist Oberflächenpolitur und wird uns nicht den Weg in die Zukunft bereiten.

Wir müssen ran an das jahrhundertalte, bekannte Business Betriebssystem von Organisationen, das gemeinhin auf makellose Fehlerfreiheit und höchste Effizienz ausgerichtet ist. Die Menschen und ihre Interaktionen “stören” im Betriebsablauf und sind als soziale Geste maximal geduldet. Gespräche sind Plauderei, Experimente sind Spielerei, und jedenfalls nicht Arbeit. Dieses organisationale Maschinenkonzept hatte vor 100 Jahren seine (wirtschaftlichen) Meriten, erlebte aber seit wenig bahnbrechende Innovationen.

Da müssen wir wohl durch

Gerade in turbulenten Zeiten und hohem Arbeitsdruck ist es eine Meisterleistung, “runter vom Gas” zu gehen. Dazu müssen anstehende Aufgaben kritisch betrachten und klar entscheiden, was mir machen – und was wir eben NICHT machen.

Focusing ist about saying NO

Steve Jobs

Das ist keine einfache Aufgabe, denn damit stellen wir einmal mehr Bekanntes und Erreichtes auf den Prüfstand. Und befeuern damit zusätzlich Verunsicherung und Desorientierung. Das braucht viel Mut, denn Schablonen und Blaupausen für ein Richtig oder Falsch gibt es wenig. Also müssen wir schon selbst an Organisationsstrukturen arbeiten, und dafür braucht es Interaktion und Kommunikation – gelingende Beziehungen.

Wir alle brauchen dazu (mehr) Spielraum in Organisationen – und dieser Spielraum kostet – nämlich Effizienz und Planbarkeit. Menschliche Begegnungen sind selten perfekt. Vertrauensbildende Gespräche selten das, was wir so unter Effizienz verstehen. Echte, tragfähige Beziehungen brauchen Zeit und Empathie zum Wachsen – und sind damit nicht planbar. Aber sie sind die Quelle von Sinn, Vertrauen und Produktivität – von dem wir alle jetzt gerade viel brauchen.

Tiefer, klarer, wumm.🚀

Konkret bedeutet das, dass wir uns im Alltag Zeit nehmen müssen für uns selbst – für Selbstklärung und regelmäßige Reflexion. Und Zeit nehmen müssen für die Menschen in unserem Umfeld, um Gemeinsames zu klären. Das läuft nicht immer pfirsichrot und bedeutet auch Konflikte. Die eingesetzte Zeit ist in der Regel ein gutes Investment gerade in Zeiten von Vielfalt, nämlich in Handlungsfähigkeit, in Zuversicht und in Wertschätzung.

Es ist ein weiter Weg, weit über 2024 hinaus, der uns Gutes verspricht:

  • Orientierung und Fokussierung durch Klarheit darüber, was wir wirklich, wirklich wollen.
  • Offener Austausch, um Expertisen für den gemeinsamen Erfolg zu bündeln.
  • Beziehungen als Voraussetzung für Empathie und (echtes) Vertrauen. Das (ver)bindet und macht (mittlerweile nachweislich) glücklich.

All das ist nicht neu, vielleicht nur ein wenig vergessen. Wir kennen das alles – auch in Organisationen. Wir müssen es nur wiederentdecken. Und in unseren Organisationen (wieder) kultivieren.

Daran erinnert auch Pantones Pfirsichflaum:

Peach Fuzz 13-1023 ist ein klarer Pfirsichton mit Vintage-Atmosphäre, der die Vergangenheit widerspiegelt, wurde jedoch neu gestaltet und hat eine zeitgemäße Ausstrahlung.

pantone.com/de

Mit Achtsamkeit, Klarheit und Beziehungsarbeit kann eine freudvolle, produktive und fehlerverzeihende Zusammenarbeit in arbeitsteiligen Organisationen entstehen. Und dann soll kommen, was will…

Also, wer kommt mit? Machen wir uns auf den Weg: zurück in die Zukunft!

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