… ist nicht so einfach zu beantworten. Die Frage füllte zumindest einen ganzen Kongress, an dem ich letztes Jahr teilnehmen durfte. Eines wurde dabei klar: es dreht alles um Beziehungen. Fragt sich nur, wer hat da was mit wem? Und damit wird es richtig kompliziert, fast wie im richtigen Leben. Eine (abstrakte) Beziehungskiste als inhaltliches Resumee des Symposiums “Wie Neues in die Welt kommt”.
Eine zauberhafte Beziehung
In einer Beziehung braucht es immer zwei: das Eine und das Andere. Denn gäbe es diesen Unterschied nicht, so wär uns alles eins. Dann gäbe es auch kein Alt und Neu, kein Vorher und Nachher. Ob es diesen Unterschied tatsächlich gibt oder wir Menschen ihn nur machen, ist als unbeantwortbare Frage so alt wie die Philosophie. Tut auch nichts zur Sache. Jedenfalls stehen sie in Beziehung, das Eine und das Andere. Was auch immer zwischen den beiden läuft, es ist kaum zu fassen. Vielleicht ist es so etwas wie ein Zauber, wie es Jürgen Bonath in seinem Workshop ]inbetwixt[ nannte. Einen Zauber, mit dem man nicht rechnen kann, den man nicht erwarten darf. Erwartetes verliert ja seinen Zauber. kennen wir ja auch von unseren menschlichen Beziehungen.
Aber wie kommt nun Neues in die Welt?
Manche behaupten, es sei ohnehin schon alles da, nur noch nicht entdeckt. Neues ist immer schon da gewesen, muß nur noch entdeckt werden. Andere wiederum meinen, Neues entsteht in Beziehung zwischen Kreativität und Zerstörung (Thomas Macho). Und es gibt welche, alles Neue entstehe evolutionär, also aus dem Zufall (Klaus Mainzer). Vielleicht auch aus dem Zauber der Beziehung. Gelegenheit macht also Liebe.
Einig sind sich alle, dass das Neue nicht einfach machbar ist. Neues entsteht einfach, immer unerwartetet (Birger Oddat). Quasi aus dem Nichts, weit weg von Routine und Gewohnheit. Dort ist nämlich das Alte, die Tradition zu Hause. Und so nebenbei bemerkt: dort fühlen sich auch Organisationen sehr wohl: sie organisieren den Zufall weg, suchen nach replizierbaren Regeln, damit Ergebnisse sicher erreicht werden. Organisationen mögen Routine, aber nichts Unerwartetes, schon gar keine Fehler und Störungen. Das könnte Gewohnheiten in Frage stellen, also Altes degradieren und Neues erheben (Josef Mitterer). Das schürt Eifersucht. Das geht dann selbst in dieser Beziehung zu weit. Und schon ist wieder Schluss zwischen den beiden. Aus der Zauber.
Ist es die Attraktivität des Anderen?
Aber das Andere ist attraktiv. Und schon ist er wieder da, der Zauber. Gegensätze ziehen sich also doch an. Und so kommen die beiden wieder zusammen. In Beziehungen hilft wohl keine Logik, kein Denken und kein Hirn. Auch das neue braucht möglichst wenig Gehirn (Gerald Hüther). Vielmehr Respekt und Begeisterung, damit es gelingen kann. Am besten gelingt es mit Leidenschaft. Leidenschaft braucht die Interaktion mit dem Anderen. Da kommt der Körper ins Spiel. Durch Denken ist noch nie etwas Neues entstanden (Gerald Hüther), wir brauchen das Gefühl und die Leidenschaft, am besten mit dem eigenen Körper (Klaus Mainzer, Gunther Schmidt, Maya Storch). Das bringt nicht nur neue Erfahrungen. Im Körper steckt die ganze Motivation (Maya Storch) und die Intelligenz (Klaus Mainzer). Und dann passiert Unerwartetes und kaum Planbares – mit etwas Glück entsteht Neues. Der Exzess der Neophilie (Josef Mitterer), unerwartet und zauberhaft.
Eine Liaison zwischen Alt und Neu
Doch kaum ist das Neue in der Welt, braucht es das Alte. Das Neue ist nicht der Feind des Alten, für den es meist gehalten wird. Vielleicht in der Pubertät, sonst eigentlich nicht. Innovation kommt immer aus dem Alten, selten vom Neuen allein (Elena Esposito). Es sollte der dankbare kleine Bruder sein auf den Schultern des riesigen Alten (Gunther Schmidt). Das Alte gibt uns Orientierung und Sicherheit, das Neue sucht andere Wege in die Zukunft. Darum schaut das Alte so gern in die Zukunft, nur wegen der eigenen Sicherheit.
Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist sie zu erbauen (Elena Esposito zitiert Jimmy Wales). Also einfach tun und sehen was passiert, Überraschungen und Entwicklung gleich in die Zukunftssicht integrieren. Mit Respekt, Zuversicht und Vertrauen. Dann können Alt und Neu gemeinsam wachsen. Stirbt das Alte und das Neue kann noch nicht zum Zug kommen, haben beide ein Problem. Wir stecken in einer Krise (Gunther Schmidt). Und dann schauen sie beide recht alt aus.
Und falls Sie Neu und Alt mal treffen sollten. Sie werden beide gleich erkennen. Ihre Beobachtung und Wahrnehmung macht die beiden zu dem, wofür Sie sie halten.