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Mein Beitrag zur Blogparade NewWorkNow: Die kopernikanische Wende?

Nach fast 5 Jahren rufen Marc Wagner und Winfried Felser erneut zur Blogparade #newworknow aus. Mein Resümee für jetzt: New Work kann (noch) gar nicht funktionieren.

Lasst mich bitte ein wenig ausholen, dann erzähle ich hier, wie ich zu diesem Schluss komme.

New Work – was soll denn das eigentlich sein?

NewWork ist in vieler Munde, und damit schon bis zur Unkenntlich zerkaut.

Theoretische Definitionen bleiben dezent im Hintergrund, falls es sie überhaupt gibt. Und was New Work in der Praxis bedeutet, darüber gibt es keine gemeinsame Klarheit. Es fehlt an Beispielen, von denen wir anleihen nehmen könnten – ausgenommen sind die wenigen Experimentier-Organisationen. Sie erfreuen (?) sich eines Sensationstourismus und werden bestaunt wie einst Kuriositäten-Kabinette im Wiener Prater.

Und wer tiefer forscht und einen Blick hinter dem schillernden Buzz-Wort-Kulissen wagt, erkennt rasch, dass die in New Work mutmaßlich vereinten Konzepte schon ein paar Jahr(zehnt)e alt sind. Somit könnte man mit Recht hinterfragen:

“Was ist eigentlich so neu am Begriff New Work?”

Nach über einem Jahrhundert tayloristisch geprägter “Wachstumsökonomie” mit teils enormen Produktivitätsgewinnen wäre auch die Frage erlaubt:

“New Work, wozu soll das gut sein?”

Wir wiegen und in falscher Sicherheit

Es wäre ja schon ein erster Erfolg, würden diese Fragen in den erfolgsverwöhnten Management-Etagen mit ihren gut eingespielten Machtstrukturen tatsächlich ernsthaft gestellt.

Denn vor unseren Unternehmenstüren braut sich gerade was zusammen: Das Wetter wird rauher, schlägt gerne rasch um und überrascht mit Extremen. Damit meine ich nicht (nur) den heißdiskutierten Klimawandel. Die Dynamik am x-Markt nimmt zu! (ersetze x durch Arbeits-, Produkt-, Welt-, oder eigene Begriffe).

Wenn sich Kundenbedürfnisse spontan ändern, sich ganze Arbeitsmärkte verschieben, wenn Stimmungen und Moden unprognostizierbar umschlagen und immer wieder neue Krisen in alle Ritzen der Organisation gespült werden, dann heißt es: bekannte Best Practises sind mehr hinderlich als zielführend.

Ich könnte noch lange über die Auswirkungen des VUCA-Akronyms schreiben, aber machen wirs kurz: die Komplexitäten steigen und werden durch Gleichzeitigkeit, Spontanereignissen und Dilemmas bereits heute in den Führungsetagen spürbar.

Versuchen wir´s mal mit Optimierung!

Wir ahnen es schon, die Lösung könnte wohl dieses New Work sein: also, her mit Mobilem Arbeiten, Vier-Tage-Woche, einem Wuzler und Gratis-Kaffee für alle – und gut ist es. Doch mit diesen (zu) einfachen Instant-Lösungen mit klarer Wenn-Dann-Logik, erschaffen wir nur einen neuen Cargo Kult.

Es greift zu kurz, nach alter, tayloristischer Manier alles zu sezieren und sich dann in Einzelteilen zu bearbeiten. Die Dinge hängen alle irgendwie zusammen, die Bearbeitung eines Einzelteils ändern das Spiel als Gesamtes. Das nennt man Komplexität.

Bitte eine Etage tiefer!

Die grundlegenden Ideen von New Work stellen die Menschen in den Fokus, mit ihren Wünschen, Ideen, Motivationen und Idealen.

Organisationen bieten aktuell dafür kaum Platz – sie sind eingespielt, liefern (mehr oder weniger) verlässliche Ergebnisse. Für Menschen sind ganz konkrete Aufgaben-Fenster definiert, die sie bestmöglich ausfüllen sollen. Der Rahmen ist gesetzt, der Mensch richtet sich danach.

In einem Bewerbermarkt ändert sich das Spiel, viele Menschen möchten mehr. Entgegen mancher Thesen über Generation Z, alpha wie sie alle benannt werden, wollen Menschen (noch immer) arbeiten. Aber eben nicht so, wie wir es kennen. Das bedeutet für Organisationen, abseits eigener definierter Rahmen die Stärken, Talente, Motivationen, Haltungen und Beziehungen zu erkennen und diese für und in der Organisation bestmöglich einzusetzen.

Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn damit ändern sich so ziemlich alle bekannten Organisationsprämissen: Planbarkeit, Mitsprache, Stabilität und Kontinuität, Standardisierung, Fällen von Entscheidungen u.v.m.

Deshalb bleiben die bekannten Aspekte von New Work, wie

  • örtliche und zeitliche Flexibilisierung von Arbeit,
  • agile und projektbasierte Organisationsformen,
  • Wertebasierung von und Sinnstiftung durch Arbeit sowie
  • veränderte Führungsstrukturen und neue Machtverteilung durch Enthierarchisierung,
  • partizipative Entscheidungsmechanismen und
  • Selbstorganisation

weitgehend unbeachtet. Das zeigt auch der aktuelle Hays-Report: Ja nach New Work Aspekt schaffen Organisationen in diesen Aspekten derzeit nur 50% Umsetzung. Im klassischen Schulnoten würde es dafür ein “Nicht-Genügend” setzen.

Herausforderung für Organisation und Menschen

Aber irgendwie müssen wir doch mit dieser Komplexität umgehen können, oder?

Das beste “Komplexitätsinstrument” ist ja ohnehin schon da: der Mensch. Das können wir gut nutzen, indem Menschen nicht mehr auf Fensterrahmen und durchgetaktete Prozesse reduziert werden. Das Ergebnis ist im gemeinsamen Fokus, die Prozesse entstehen unterwegs MIT den Menschen.

Das ist für alle Beteiligten ungewohnt, “nicht normal” und überfordernd – sowohl für Organisationen als auch für die meisten Menschen.

Menschen brauchen Orientierung. Diese verlieren sie aber, sobald es die organisationsgegebenen “Fensterrahmen” nicht mehr gibt. Orientierung aus dem Innen heraus wäre eine gute Alternative, fällt aber schwer, wenn Vision, Mission und strategische Vorhaben (noch) nicht klar (genug) sind. Für Orientierung braucht es Selbstklärung, die nur außerhalb des Gewohnten entsteht.

Organisationen suchen Stabilität. Genau diese verlieren sie, wenn sie sich die ohnehin schon fordernde Dynamik des Außen jetzt auch noch ins Innere holen. Es fehlt Stabilität und Planbarkeit, wenn Arbeitsteilung nicht mehr (allein) dem definierten Produktionsprozess folgt, sondern sich nach den vorhandenen Talenten, Stärken und Netzwerken der Menschen richtet. Noch dazu haben Organisationen für diese Talente kaum noch Sensorium, mal von wenigen guten Beispielen abgesehen.

Mit anderen Worten: wir erkennen vielleicht das mögliche Potenzial von New Work Ideen in einer dynamisierten Umwelt. Allein der Gedanke an eine Umsetzung zwingt uns in eine angsterfüllte Planlosigkeit.

Wieder zurück, oder doch nach vorne?

Wenn wir den Blick nach außen richten, merken wir: alles bleibt anders. Wir stolpern von einer Krise und die nächste, kaum haben wir uns an geänderte Rahmenbedingungen gewöhnt, ist schon wieder alles anders. Auch wenn viele gerne wieder ins alte “Normal” zurückkehren möchten, merken wir, dass wir nicht mal mehr wissen, wo denn das sei. Geordneter Rückzug ausgeschlossen.

Und so stehen wir da, können nicht mehr zurück, und können (noch) nicht nach vorne. Also, wohin? Diese Antwort zu geben ist klassische Aufgabe der Führung. Verständlich daher die Erwartung an die Führungskräfte

“Die sollen sagen, wo es lang geht!”

Doch auch hier stehen wir vor einer Überforderung. Je bewegter die Dynamik, desto weniger kann Führung diese Steuerungsarbeit noch leisten. Beim besten Willen nicht. Zu breit sind die Rahmen geworden, zu schnell die Veränderungen und damit die Anzahl der möglichen Optionen.

Wir sind an einem Punkt, an dem wir nur gemeinsam gute Lösungen finden und unterwegs immer wieder anpassen können. Aber noch haben wir dafür kein Instrumentarium.

Und genau da stockt es …

Wer nicht vor oder zurück kann, bleibt also da und macht nichts. Das zeigt z.B. die gerade aktualisierte Studie Soziale Gesundheit in Österreichs Betrieben:

  • 81% der Arbeit wird so erledigt, wie sie vereinbart wurde, das ergibt die Note 1,8 in Sachen Pflichterfüllung.
  • Offene Kommunikation wird vermieden, wo es geht.
  • Schließlich sind Ängste und Konflikte ein Kostenfaktor und daher zu vermeiden. (Dabei sind diese Ängste allgegenwärtig, denn nur 34% haben KEINE Angst vor Verlust von Wertschätzung und Anerkennung!)

Zugespitzt zusammengefasst:

Sagt uns, was wir tun sollen und wir setzen fleißig um!

Doch Fleiß alleine wird künftig nicht mehr für ersehnte Anerkennung und Wertschätzung reichen. Wenn diese Hoffnung platzt, werden Ängste zunehmen und Orientierung weiter abnehmen. Eine gefährliche Spirale!

Bewegt Euch!

Bitte etwas mehr Mut: Mit Konformisten kommt man nicht weit!, schreibt Anne Schüller in ihrem Beitrag zur Blogparade. Wir müssen also in Bewegung kommen, egal ob vorne, links, rechts oder ganz anders – einfach mal machen. Ausprobieren, miteinander reden, machen. Der Weg entsteht im Gehen. Wir werden rasch erkennen: Bewegung sorgt für Stabilität, das kennen wir vom Radfahren. Das ergibt wieder Zuversicht – nicht nur den Menschen.

Organisationen mögen sich dadurch bedroht sehen, doch auch sie brauchen Ideen, Flexibilität und Wendigkeit, denn sie müssen neue Strukturen und Vorgehensweisen simultan zu den Bestehendem finden. Wenn wir alle in Bewegung kommen, können wir Schritt für Schritt neue Organisationsprinzipien etablieren. So, wie sie für das jeweilige Umfeld passen.

Und dass es nicht nur EIN New Work gibt, sondern ziemlich viele, daran erinnert uns Alexander Kluge.

Ist Kommunikation die Lösung?

Einen Aspekt habe ich noch nicht angesprochen: Die Kraft liegt gar nicht nicht bei einzelnen Menschen (allein), sondern in deren Begegnung und Interaktionen. Die Knotenpunkte machen die Stärke von Zusammenarbeit und damit von Organisationen aus. Diese Knoten entstehen und stärken sich durch offene, regelmäßige Kommunikation.

Ganz nebenbei bemerkt, rückt damit Organisationskultur von einer “netten Begleiterscheinung des Alltags” damit ins Zentrum der Betrachtungen. Und auch hier versagt Steuerung, denn Kultur ist nicht (direkt) steuerbar und in vielen Aspekten “unentscheidbar”.

Für New Work werden wir das Pradigma der “Steuerung und Kontrolle” zurücklassen müssen – “Loslassen” wie es CEO Carl Lievens im jüngsten #Initate-Talk unlängst formuliert hat. Auf den Weg machen, attraktive Zielpunkte, “Leuchttürme”, finden, die an die intrinsische Motivation der Leute anschlussfähig ist. Die Voraussetzung für ein Gelingen: ständig im Gespräch zu bleiben.

“Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung.

Hartmut Rosa

Emotion spielt nun auch im Business eine bedeutendere Rolle – diese wird ebenfalls durch Kommunikation genährt.

Arbeit ist schließlich mehr als ein ökonomischer Austausch zwischen Zeit und Geld, es ist Teil der eigenen Identität. Der oft rational adressierte “Sinn” ist sinnlos, wenn dieser nicht emotional verhaftet ist.

Eigentlich haben wir ja keine Wahl mehr, oder?

Umdenken ist erst der Anfang, in New Work werden auch anders handeln – vor allem weniger rational und kontrolliert. Energien und Emotionen werden wesentliche Player. Wie oft sind Change-Initiativen im Sand erstickt, weil die Umsetzung sachlogischer Konzepte an “falschen” Einstellungen oder emotionalen Widerstand der Mitarbeiter gescheitert ist?

Möglicherweise liefert New Work Ideen für ein neues menschenorientiertes Arbeitsumfeld, in das sich noch niemand reintraut. Dabei wäre es ein würdiges Umfeld für Menschen, die mit-denken, mit-arbeiten und Lust an der Zusammenarbeit haben; die geschaffene Silos überbrücken und Schnittstellen zu Nahtstellen machen; die überzeugt sind, Wichtiges zu leisten, also etwas Sinnvolles zu leisten. Die sich durch (Über-)Organisation nicht ausbremsen lassen und im Team, rasch und unkompliziert echte Lösungen für Kundenprobleme schaffen.

Doch wer vor die eigene Haustür blickt, weiß: Wir werden über kurz oder lang keine andere Wahl haben, als uns aufzumachen und Bekanntes tabulos in Frage zu stellen. Das erfordert Mut, Geduld und Vertrauen, und unterwegs viel, viel offene Kommunikation über alle Ebenen und Silos hinweg: Diskussionen, Feedback, Reflexionen, Austausch, aber auch Konflikt- und Klärungs-Gespräche.

Und spätestens jetzt wird klar, dass New Work aktuell nicht mehr als reine Utopie ist. Denn schließlich sind wir zum Arbeiten da und nicht zum Plaudern.

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