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Die Premiere ist gelungen!

Das erste Transformationcamp TC24 war eine abwechslungsreiche Mischung aus Konferenz und Barcamp und fand mit etwa 120 Teilnehmer:innen am 26. und 27. April 2024 erstmals statt. Die beiden Gastgeber, die FH Wien der WKW und Fifty1, stellten das TC24 unter das Motto:

“Transformation im Dreiklang von Technologie – Organisation – Mensch”

Eingerahmt in vier Keynotes fanden sich an beiden Tagen 32 Barcamp Sessions, die nicht unterschiedlicher hätten sein können – von Transformationsbeispielen, konkrete Fragen oder Vorstellung von Tools und Hilfsmittel.

Transformation ist mehr als bloß Change

Irgendwie haben wir ja alle die Hoffnung, dass mit ein wenig Change die Dinge dann halt anders, idealerweise besser werden. Und damit ist alles wieder gut. Von Mathias Horx lernen wir, dies sei nur eine Form von Metamorphose, nämlich Transition.

Transition wird für Anpassung nicht (mehr) reichen. Horx fordert mehr Mut und Energie für “echte Transformation” ein. Gemeint ist nichts weniger als die Selbstauflösung und Neuzusammenfügung, also organisationaler Autophagie. Autophagie ist der unumkehrbare biologische Prozess (ja, der zum Schmetterling), bei dem Zellen ihre eigenen Bestandteile abbauen und recyceln, um Energie und Baustoffe für etwas Neues zu gewinnen.

Klingt radikal, bleibt aber Organisationen nicht erspart, denn es geht um eine (über)lebensnotwendige Anpassungsleistung. Für jene, die das nicht wollen, so Horx, gäbe es da noch eine Alternative:

Aussterben ist auch eine Lösung.

Matthias Horx

KI macht uns das Leben auch nicht leichter

Wer glaubt, dass die Künstliche Intelligenz uns das alles schon irgendwie richten wird, irrt.

Mina Saidze, Autorin von FairTech, lässt jede Hoffnung schwinden, dass uns KI das Leben einfach mal so erleichtert – und alles andere beim Alten lässt. Allein der Begriff “Künstliche Intelligenz” ist ein seichtes Marketingversprechen, das real kaum erfüllbar sind.

Dennoch: Künstliche Intelligenz in all ihren Facetten ist gekommen um zu bleiben. Nur ohne substantielle Anstrengungen zu ESG und Diversität in Organisationen wird KI nicht nachhaltig zu denken bzw. hilfreich umzusetzen sein.

Wir dürfen KI nicht als random fuck boy sehen, sondern als schwierigen Liebhaber, den wir laufend bändigen müssen.

Mina Saidze

Jede Transformation beginnt mit einem Patienten 0

Jede noch so große Transformation beginnt bei einem “Patient Zero”, meint Thomas Pisar, Transformationsmanager bei A1. Es ist schließlich immer irgendjemand, der oder die einfach mal anfängt – also first mover oder unerschrockene Heldinnen, die mit etwas Neuem daher kommen.

Das Gute: Diese „neuen Dinge“ sind meist fast frei zugänglich und können mit wenig Ressourcen ausprobiert werden. Der Nachteil: Vieles davon ist in Organisationen meist (noch) ein bisserl „illegal“, und wird daher rasch wieder abgedreht. Solche Regelbrüche, brauchbare Illegalität, sozusagen, sind essentiell für spätere Transformation und sollten daher jedenfalls geduldet, zugelassen und vielleicht sogar gefördert werden. Lernen zu experimentieren, bedeutet, experimentieren zu lernen.

Patientinnen 0 sind meist hoch ansteckend und bilden gerne Koalitionen. Je besser das “neue Ding”, desto schneller die weiteren Infektionen. Erst viel später – wenn überhaupt – folgt eine “offizielle” Akkreditierung des “neuen”, z.B. als “offizielle” Strategie.

Spätestens ab hier ist mit Widerständen zu rechnen, denn eine ausgesprochene (Transformations)Strategie ist quasi der Frontalangriff auf den Status Quo.

Lernen zu experimentieren, bedeutet
experimentieren zu lernen.

Macht und Ohnmacht

Bei einigen Barcamp Sessions schwingt im Hintergrund ein Thema mit: “Macht“. Erst in der Schlussrunde des ersten Tages wird es explizit angesprochen: “Warum reden wir eigentlich so wenig drüber?”

Ist Macht ein männliches Thema? Nicht nur. Und wer von sich aus Entscheidungen treffen kann, ist mächtig. Stimmt das auch, wenn wir die Folgen solcher Entscheidungen gar nicht mehr kontrollieren können? Dann fühlen wir uns allzu leicht ohnmächtig, wenn wir uns Transformation ausgeliefert fühlen. Dann werden wir wieder mächtig, wenn wir Widerstand leisten – denn der zeigt unmittelbare Wirkung – und macht uns (wieder) mächtig.

Zurück bleibt die vage Erkenntnis, dass sich Macht und Ohnmacht gerade in Veränderungen abwechselnd in den Vordergrund schieben. Eng damit verbunden ist “Kontrolle“. Kontrolle abzugeben ist wichtig, wenn es zu echter Transformation kommen soll. Ist aber nicht ganz einfach.

So findet Kontrolle oft subtil wieder den Weg zurück – wie z.B. beim renommierte Verlag Manz. Auf der eigenen Transformationsreise lehnte man den Begriff “data driven” ab, weil er zu passiv klang. Man einigte sich auf “data inspiried”, dieser Begriff lädt ein zu agieren und schützt vor Kontrollverlust. Und ist schließlich auch eine Form der Macht(erhaltung).

Wer hat dafür noch Zeit?

Erster und größter Feind der Transformation – das Jetzt:

“Warum reden wir nicht übers Business, warum vergeudet ihr unsere Zeit?”

In (fast) allen Session ist man sich einig: Es gehört mehr “g’redt” – wir brauchen mehr Kommunikation und besonders Dialog. Das braucht Zeit, die im Alltag immer weniger zu finden ist. Schließlich geht´s um das Geschäft. Ja, ums aktuelle Geschäft – uns was ist mit dem zukünftigen? Nichts kommt von nichts.

Mehr noch: Transformation braucht eingängige Geschichten, die wir uns erzählen, um checken zu können, was da jetzt alles abgehen soll. Und wenn Du keine Geschichte bringst, entsteht eine, ganz von selbst. Merkbar wird dies z.B. an Spitznamen, die man bestimmten Personen oder Phänomen dann gibt. Geschichten erzählen kostet Zeit, sind aber der Schuhlöffel in und wichtige Orientierungsanker während einer Transformation.

Organisation führt – auch in Transformationen

Vollkommen unterschätzt werden Organisationsstrukturen, wie Judith Muster, Autorin von Die Humanisierung der Organisation, betont. Wir übersehen regelmäßig die Dimension der Organisation und doktern wie wild an den Menschen herum.

Organisationen stellen (implizite) formale Erwartungshaltungen an Mitarbeiter:innen und wirken über organisationale Reize und Zwänge verhaltensprägend. Formale Erwartungen werden informell interpretiert und damit zum Leben erweckt.

Damit ist Organisation die wichtigste Führungskraft, sagt die Soziologin. “Dopaminströme gestalten, um Organisation zu transformieren”, nennt es Thomas Pisar: “Was sind meine Belohnungen? Welches Verhalten wird hier belohnt?”

Alles, was organisatorisch nicht sauber gelöst werden kann, ergänzt Judith Muster, bleibt dann der unmittelbaren Führungskraft. Und dafür bleibt dann zu wenig Zeit.

Führung ist situative Einflussnahme In Momenten der Erwartungsunsicherheit

Judith Muster

Der Mensch ist nach Judith Muster zwar “nur” Mitglied der Organisation und erfüllt seine Funktion bzw. Rolle. Dennoch sind Menschen nicht ganz irrelevant, sondern geben die Möglichkeiten vor.

Bauen Sie nicht zuerst die Organisationsstruktur und suchen sie dann die Führungskraft. Beobachten Sie, was sie von einer Führungskraft erwarten können und bauen dann die passende Organisationsstruktur.

Judith Muster

Transformation hat enormes Kränkungspotenzial

Letztlich sind es Menschen, die Transformationsprozesse vorantreiben oder auch verhindern können.

Heike Mensi-Klarbach spricht vom wichtigen Faktor Menschensensitivität in Transformationen – und meint v.a. menschliche Kränkungen, die gerade in Transformationen nicht ausbleiben. Sie versteht darunter die tatsächliche oder vermeintliche Verletzung eines Menschen in seiner Ehre, seinen Werten, seinen Gefühlen oder – insbesondere – seiner Selbstachtung.

Kränkungen führen immer zu destruktivem Verhalten, z.B. Widerstand, Rückzug, innere Kündigung, Zynismus oder gar Wut. Ein “Gegenmittel” dafür ist Wertschätzung für Menschen und deren Haltungen und Verhalten. Dies ist gerade bei Veränderungen kaum zu garantieren.

Ebenso hilfreich: gegenseitiges Vertrauen, das wiederum belastbare Beziehungen voraussetzt. Leisten können das nur (unmittelbare) Führungskräfte – und erfordert viel Kommunikation. Und wer hat dafür noch Zeit? Ah ja, das hatten wir schon weiter oben…

Gelingende Transformationsprozesse …

… gibt es also nicht. Zumindest nicht so, wie wir das von Beginn an geplant hätten.

Transformation ist eine (wilde) Reise, auf der alles auf dem Spiel steht, keine Abkürzung möglich ist und damit am Ende etwas Neues entstanden ist, das wohl Einzigartig ist. Und wer glaubt, dass dann alles gut ist, irrt – denn, nach der Transformation ist vor der Transformation.

In diesem Sinne – Gute Reise!

Die TC24 Key Notes

  • Mina Saidze – KI hat auch ESG- und Diversitätsdimension – Empathie und emotionale INtelligenz als Superkraft im KI Zeitalter
  • Heike Mensi-Klarbach – Menschensensitivität (Wertschätzung und Kränkung) – Es bringt nichts, Leute anzuschreien “Verändert euch!” (Horx)
  • Matthias Horx – Transformation – es löst sich auf und setzt sich neu zusammen, wir denken linear, aber jeder Trend hat einen Gegentrend, und erst die Synthese aus beiden bleibt – Die Versöhnung von Trends und Gegentrends führt zu Transformation
  • Judith Muster – Organisationen wollen bleiben wie sie sind, also sind andere “schuld” – Diese Personalisierung von Problemen dient Organisationen dazu vorhandene Strukturen in Organisationen zu erhalten und nicht zu hinterfragen.

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