Ein paar Neujahrs-Gedanken 2020 zur Lage des Personalmanagements.
Willkommen in 2020! Keine Sorge, es ist noch alles so wie im letzten Jahr.
Personalentwicklung existiert immer noch. New Learning verwechselt nach wie vor Lehren mit Lernen und ignoriert weiterhin, dass es auch in diesem Jahr kein „neues“, menschliches Lernen geben wird.
Bei den Trendthemen Change und Transformation reden sich alle den Mund fusselig, aber den Stein der Weisen hat – zumindest meines Wissens – auch noch niemand gefunden.
Und im Recruiting hat uns nach den Feiertagen der Alltag wieder, denn aus dem klassischen Post&Pray haben wir uns auch letztes Jahr noch nicht verabschiedet.
Das blaue Jahr 2020
Das passt es ja gut, dass Pantone 2020 auf die Farbe „Classic Blue“ setzt. Dieser klassische Blauton strahlt Ruhe, Souveränität und Bezogenheit aus und zielt, so Pantone,
“auf unsere Sehnsucht nach einer verlässlichen und sicheren Basis, auf die wir an der Schwelle zu einer neuen Ära aufbauen können.”
Ganz im Gegensatz zu „Living Coral“ des letzten Jahres. Das fröhliche, lebensbejahende 19er-Korallenrot mit seinen goldenen Untertönen sollte uns Energie spenden und auf sanfte Art beleben.
Heuer also ruhige Souveränität statt belebte Energie. Nicht, dass mir diese ruhige Souveränität persönlich nicht entgegen käme. Doch unsere geläufige HR-Praxis bräuchte wohl an vielen Stellen noch mehr dieser energetische Belebung. Nein – Farbe hin oder her – wir können auch heuer noch nicht blau machen.
HR kann doch eh jede(r) – oder?
Mein geschätzter Blogger-Kollege Stefan Döring eröffnete das Jahr mit der Forderung nach mehr Professionalität im Personalmanagement. Für ein professionelles HR brauche es – wie in anderen Berufsgruppen auch – professionelle Zugangsvoraussetzungen oder zumindest ein Minimal-Set an allgemein gültigen „Personaler“-Kompetenzen.
Daran glaube ich nicht, denn…
…HR ist Definitionssache
Personalarbeit ist im Grundsatz Führungsarbeit – wenn es denn ein HR gibt, so übernimmt es bestimmte, definierte Agenden oder unterstützt die Führungsarbeit als Partner (oder seltener als Dienstleister). Damit sieht das Aufgabenset von HR in jedem Unternehmen – zum Teil gravierend anders aus – und braucht damit andere Kompetenzen.
Ja, das Thema haben andere Berufsgruppen wir Ärzte oder Juristen natürlich ebenso – und lösen dies mit Spezialisierungen. Doch wenn wir in HR schon an den Basics laborieren, sollten wir uns nicht schon an Spezialisierungen machen, oder?
…HR ist eine Querschnittsfunktion
Personalmanagement arbeitet immer an Schnittstellen – im Unternehmen wie auch mit seinen fachlichen Grundlagen: Kein gutes HR kommt ohne Wirtschafts-, Rechts- oder Psychologie-Wissen aus, idealerweise ergänzt durch Elemente aus Sozial- und Kulturwissenschaften, Medizin und Humanbiologie, IT- und Webtechnologie sowie praktischerweise auch Marketing und Sales.
Was es nicht gibt, ist eine allgemein gültige HR-Theorie, die all diese Quellen in eine allgemein anerkannte HR-Lehre/Schule/Fakultät – ohne Widersprüche – zusammenführt. Also wer wäre in dieser Vielfalt und den unterschiedlichen Quellberufen prädestiniert, Zugangsvoraussetzungen oder „Personaler“-Kompetenzen festzulegen? Und wer sollte diese wie (über)püfen? Gibt es dafür dann Zertifikate oder genügen auch Badges?
…HR muss sich gerade neu erfinden
HR befindet sich im Umbruch der Paradigmen. Ich habe noch viel (gute) Literatur aus meinen Studien – doch nur ein Teil davon ist heute noch gültig. Themen wie Unternehmenskultur, Social Media und selbstorganisierte Unternehmen fehlen dort noch weitgehend und sind heute, ein gutes Jahrzehnt später, schon längst in der Praxis angekommen.
Und wer weiß, was davon, was heute so publiziert ist, morgen noch passend sein wird?
Also, bleibt die Frage: Woran erkennen wir nun eigentlich HR-Profis? Und was unterscheidet diese von „Amateuren“?
Eine Facette der Antwort könnte sein: Das (kontinuierliche) Lernen! Denn da stimme ich wieder uneingeschränkt mit Stefan Döring überein:
“Hinterfragt Euch. Lernt voneinander und von Euren Kunden. Schließt Euch zusammen. Geht zu BarCamps. Beschäftigt Euch mit Eurem Wertbeitrag in der Organisation. “
Einfach mal Tun und “ins Blaue” Lernen!
Also, liebe Personaler, lasst uns dieses Jahr lernen, gemeinsam weiter-lernen. Lernen von anderen Quellberufen oder mit Widersprüchen aus unterschiedlichen Quellen Neues entdecken.
Nein, das wird mit punktuellen Trainingsprogrammen, die wir unseren Teilnehmern so gerne verpassen, kaum funktionieren. Ich meine ein kontinuierliches, tägliches Lernen, ohne übergenau definierte Lernziele und -schritte – einfach mal machen.
Am Besten lernen wir im täglichen Tun, im Ausprobieren und im Umsetzen. Vielleicht noch besser gelingt dies mittels Reflexion, Retro oder was auch immer nach dem Tun.
Ja klar, gerne, werden jetzt viele sagen – mal sehen, wie ich das zeitlich unterbringe. Und endet damit dort, wo viele Neujahrsvorsätze auch landen: in Vergessenheit.
Wer sich´s nicht vornimmt und einplant, wird in Zeiten wie diesen (wieder mal) keine Zeit dafür haben. und damit wertvolle Erkenntnisse einfach am Weg liegen lassen. Es geht – wie so oft – um eigene Prioritäten.
Harald Schirmer plädiert sogar für ein bedingungsloses Lernzeit-Grundeinkommen.
Lernzeiten priorisieren und fixieren, um das Tagesgeschäft zu meistern!
Also wie wär es heuer mit – im Kalender fix geblockten und nur in Notfällen verschiebbaren – Lernzeiten?
Zum Beispiel für die Recherche an ganz konkreten Themen oder fürs Reinhören in inspirierende PodCasts oder Videos? Oder wie steht´s mit regelmäßigen Feedback- und Reflexionstreffen mit dem Team oder Kollegen? Oder aber die Teilnahme an einem WOL- oder LernOS-Circle (hier geht’s zum Circle-Finder) wär genau das Richtige? Oder ein MeetUp?
Vielleicht auch Lust auf ein BarCamp, um sich gemeinsam mit anderen spannenden Themen hzu widmen? Ich hätte da gleich mal zwei Tipps in Wien:
- CorporateLearningCamp 2020 – 2./3.April 2020 an der FHWien
- #Initiate20 “Lernen ist das Neue Arbeiten?! – 5. Juni 2020 an der mdw (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien)
Damit kommen wir mit aus dem sanft engergiespendenden 19er-Korallenrot sehr gut ins ruhige, souveräne und verbindende 20-er Blau und schaffen uns damit eine verlässliche und sichere Kompetenz-Basis für das kommende Jahrzehnt. Ganz nach der Idee Pantones zur den aktuellen Jahresfarbe Classic Blue.
In diesem Sinne wünsche ich allen ein spannendes, bereicherndes, erfolgreiches und natürlich gesundes 2020!
Vielen Dank für die Erwähnung – und ja, es kann gar nicht wichtig genug genommen werden. Wenn Regierungen “nur” 5% ihres Haushalts in Bildung investieren, sind alle empört… wer investiert privat 5% (Geld oder Zeit) in die eigene (oder Kinder) Weiterbildung?
Danke für den Kommentar, Harald Schirmer! Ja, das sehe ich genauso: 5% klingen nicht viel, das sind aber auf Vollzeit gerechnet 2 Stunden in der Woche. Das klingt viel, ist aber weniger als es sich aufs Erste anhört. Einfach machen!