Supercalifragilisticexpialigetisch! So heißt das Zauberwort Mary Poppins´, mit dem scheinbar vieles möglich wird. Auch im Recruiting.
Der Walt-Disney Film gewann 5 Oscars, den Golden Globe und verschiedene andere Auszeichnungen. Die Geschichte von Mary Poppins, dem fliegenden Kindermädchen mit scheinbar magischen Kräften, kam vor genau 50 Jahren in die Kinos.
Nun feiert das Musical in Wien bald Premiere, das ich in der Preview schon sehen durfte. Das Wiener Ronacher war voll mit Eltern und ihren Kindern.
Doch ehrlich gesagt, glaube ich gar nicht, dass sich die Geschichte nur für Kinder richtet. Da ist auch jede Menge Recruiting-Know How dabei. Aber lassen Sie mich kurz erzählen.
Die Geschichte spielt in einem englischen Haushalt Anfang des 20. Jahrhunderts. Mr. Banks, vielbeschäftigter Bank-Manager, lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern Jane und Michael in einem gutbürgerlichen Haushalt samt einigen Angestellten.
So weit, so geordnet – wäre da nicht ein Personal-Problem: 6 Kindermädchen in 4 Monaten haben die beiden sehr lebhaften Kinder in die Flucht geschlagen. Eine Fluktuationsrate, die seines gleichen sucht!
Also, ein neues Kindermädchen muss her.
Lektion 1: Lebendige Texte statt trockener Anforderungen!
Nach den vielen Fehlbesetzungen erklärt Mr. Banks die neuerliche Suche kurzerhand zu Chefsache: “die Auswahl eines Kindermädchens eine wichtige und heikle Aufgabe ist.” (schön, dass der “Chef” das so sieht ;-))
Deshalb traut er diese seiner Frau auch nicht mehr zu und beginnt gleich selbst das Inserat zu texten:
“Gewünscht wird, nein, gesucht wird: Kinderschwester, ehrbar, verantwortungsbewusst, seriös…”
Ganz nach seiner Vorstellung, wie ein Kindermädchen zu sein hat. Doch was bedeutend diese Eigenschaften? Welches jobsuchende Kindermädchen würde sich wohl nicht als ehrbar, verantwortungsbewusst oder seriös bezeichnen. Und selbst wenn, würde sich niemand dennoch von der Bewerbung abhalten lassen.
Diese Erfahrung durften die beiden Banks schon machen: Die Bewerberinnen standen Schlange.
Die beiden Kinder Jane und Michael hatten da schon einen erfrischenderen Zugang: Ihr Inserat haben sie wie folgt formuliert:
“Wir suchen eine Kinderschwester für zwei entzückende Kinder
Willst Du diese Stellung haben, brauchst Du ganz besondere Gaben
[…]
Du musst viel Spielen, darfst nie bös sein, Musst stets lustig, nie nervös sein
Sowohl zu Haus und unterwegs und kauf uns Keks.
Tut der Bauch uns mal weh, quäl uns nicht mit Rizinus und Tee,
Koch uns keine Haferflocken und drehe mir niemals die Locken
Verspricht Du, uns so zu lassen, gibt es keinen Anlass uns zu hassen,
[…]
Komm doch bitte morgen längst!”
Der Erfolg gab ihnen auch im Musical Recht: Mit sprechenden Aufgabenbeschreibungen kriegst Du nicht nur irgendein Kindermädchen, auch magische Kindermädchen fühlen sich angesprochen.
Für alle, die selbst sehen möchten, hier der betreffende Ausschnitt aus dem Film:
Lektion 2: Hinschauen und nicht an eigenen Vorstellungen kleben bleiben
“Um eine anständiges Kindermädchen zu finden, muss man nur anständig suchen”, ist Mr. Banks überzeugt. Und hat dabei klare Vorstellungen darüber, was für ihn ein “anständiges Kindermädchen” ist. Ordnung und Strenge sind dafür wesentliche Kriterien. Schließlich hat er diese Eigenschaften auch bei seinem eigenen Kindermädchen damals erlebt. Leidvoll erlebt – aber das hat er bereits verdrängt, wie sich später im Musical zeigen wird.
Seine Frau dürfte ein ähnliches Bild gehabt haben, als sie ihrem Mann gesteht:
“Mit unseren Kindern fertig zu werden, traute ich Katie Nanna (die Vorgängerin von Mary Poppins, Anm.) wirklich zu. Sie machte einen so ernsten und strengen Eindruck.”
Tja, falsch gedacht. Mary Poppins entsprach so überhaupt nicht dem Bild einer “guten Kinderschwester”. Dennoch erhielt sie – mangels Alternativen – den Job. Zum Glück!
Die beiden Kinder, Jane und Michael wollten es dann doch ganz genau wissen. “Mary Poppins, woher wusstest Du, was wir von unserem Kindermädchen erwarten … als wir unsere Liste machten?”
Mary Poppins prompte Antwort:
“Eure Liste? Ich bin ja nicht irgendeine Besorgung am Wochenmarkt!”
Zusammengefasst: Viele Wege führen zu einem guten Ergebnis. Wer sich mit menschlichen Potenzialen statt mit fragwürdigen Auswahlkriterien beschäftigt, kann be-zaubernde Kindermädchen nicht so leicht übersehen!
Lektion 3: Gute Kandidaten haben ihre eigenen Vorstellungen
Es ist ja nicht so, als hätten es die Banks nicht versucht: nämlich Bedingungen und Rahmenbedingungen für die Anstellungen in diesem Haus zu definieren. Es blieb allerdings beim Versuch.
Mr. Banks forderte Zeugnisse oder Referenzen. Die knappe Antwort: “Ich lege grundsätzlich keine Zeugnisse vor. Eine altmodische Vorstellung, wie ich finde.”
Mrs. Banks versuchte es mit Dienstzeiten und Ausgehzeiten, die prompt in einem Gegenvorschlag erweitert wurden: “So bin ich es gewohnt in besseren Häusern”.
Auch die angebotene Dauerstellung in diesem Haus konnte Mary Poppins nicht beeindrucken: “Ich bleibe bis der Wind sich dreht”.
Als sich die Banks (dennoch) bereits für sie entscheiden haben, überraschte sie ein weiteres Mal:
“Was ich noch sagen wollte: Über die Probezeit müssen wir noch reden. Ich denke eine Woche ist angemessen. Danach entscheide ich, ob ich bleibe!”
Gute Kandidaten haben ihre klaren Vorstellungen. Nicht alle muss oder kann man akzeptieren – doch es braucht zumindest ernsthafte Verhandlungen. Für eine gute Zusammenarbeit braucht es alle beide, für die es passen muss.
Mit dieser Erkenntnis hatte Mr. Banks wohl am meisten Schwierigkeiten:
“Ich hasse es, wenn der Lauf der Dinge durch Tatsachen beeinträchtigt wird.”
Supercalifragilisticexpialigetisch!
Mary Poppins macht einen guten Job: sie kommt mit den Kindern gut zurecht und bringt ihnen die Buntheit des Lebens näher. Und letztlich schafft sie es sogar, die gesamte Familie auf einen neuen, gemeinsamen Weg zu bringen. Supercalifragilisticexpialigetisch! Damit war ihre Mission im Hause Banks erfüllt. Der Wind hat tatsächlich gedreht.
Wenn Sie sich jetzt fragen, wie Mary Poppins das alles gelungen ist, dann gibt es dafür wahrscheinlich viele Antworten. Und in diesen Antworten sind noch ein paar wertvolle Lektionen für Personalentwickler verpackt. Aber das ist dann eine andere Geschichte.