Was können Cultural-Fit-Tools und wozu taugen sie? Weiter geht´s mit meiner Blog-Serie. Heute: Der Cultural Fit Evalueator.
Cultural Fit heißt ja das neue Zauberwort im Recruiting.
Wie (oberflächlich) Personaler damit umgehen, wissen wir spätestens seit der Cultural-Fit-Studie von meta HR und Employour.
Wie gut also, dass Studien(mit)autor meta HR mit Kooperationspartnern unlängst sein eigenes Tool für den optimalen Fit auf den Markt gebracht hat, den Cultural Fit Evalueator.
In der Beitrags-Serie #CulturalFitTools beschäftige ich mich heute mit diesem Cultural Fit Evalueator, das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem Talent-Strategen meta HR, dem HR-Technologie-Anbieter ingentis und der Deutschen Employer Branding Akademie DEBA.
Natürlich stelle ich die gleichen fünf Fragen über das Tool und berichte hier über meine persönlichen Eindrücke mit diesem.
Eine Zusammenfassung aller hier präsentierten Tools und mein persönliches Fazit darüber bringe ich dann im September.
Der Cultural Fit Evalueator – wenn sich drei treffen …
Wer sagt denn, dass man immer alles alleine machen muss. Das dachten sich auch die Talent-Strategen von meta HR, der HR-Technologie-Anbieter ingentis und die Deutschen Employer Branding Akademie DEBA. Sie bündelten ihre Kompetenzen und entwickelten den Cultural Fit Evalueator, der seit Ende Mai 2016 am Markt ist.
Damit haben diese drei ein „Basis-Produkt“ geschaffen, dass ständig weiterentwickelt und auf Kundenbedürfnisse angepasst wird. Das Verfahren ist für den Einsatz in der Personalauswahl im Recruiting entwickelt und gibt es in mehreren Produktvarianten (von Lizenz-Volumen bis hin zur FlatRate).
Das webbasierte Tool verfügt über ein Front-End (die KandidatInnen-Sicht) sowie über ein Back-End, mit dem Recruiter alles Wesentliche steuern können.
Erhoben wird der Fit – wie bei allen anderen Tools – über einen Fragebogen, der allerdings in drei Teile gegliedert ist: Zunächst findet man 14 Reihungsfragen, dann folgen 24 Skalierungsfragen und abschließend werden noch vier Polaritäten abgefragt.
Die grundlegende Einschätzung der eigenen Kultur erfolgt mit Hilfe des Tools selbst (Fragebogen-Variante) oder durch Erarbeitung mit den bestehenden Mitarbeitern (Workshop-Variante).
In der Kombination aus beiden kann die Kultur als Matching-Grundlage besonders exakt mit allen IST- und SOLL-Faktoren bestimmt werden. Im Tool selbst können dann einzelne Wertebereiche noch zusätzlich priorisiert werden (“TOP-Werte”), um danach noch genauer matchen zu können.
Derzeit ist nur EINE Kultur bestimm- und hinterlegbar, in Zukunft können dann auch Team-Kulturen für unterschiedlichen Recruitingprojekte ausdifferenziert werden.
Angeboten wird der Cultural Fit Evaluator derzeit nur in Deutsch, die englische Version ist in Vorbereitung. Ebenso werden bald einige Weiterentwicklungen im Reporting, wie auch die zusätzliche Messung von Team-Kulturen im Unternehmen verfügbar sein.
Bei der Anbindung an bestehende ATS-Lösungen setzt man derzeit nicht auf Standard-Schnittstellen, sondern auf das Know-How von ingentis. Damit können auf Kundenwunsch rasch und einfach Schnittstellen zu gängigen Bewerbermanagement-Systemen gebaut werden.
Fünf Fragen an Christoph Athanas, Geschäftsführer von meta HR
Meine Fragen beantwortet Christoph Athanas, Geschäftsführer von meta HR.
Er ist Initiator des HR BarCamps im Berlin und (Co-)Autor mehrerer Studien, zuletzt der vielbeachteten Cultural Fit-Studie.
Mit dem Cultural Fit Evalueator möchte er Recruitern erleichtern, einen optimalen Cultural Fit zu finden.
1. Christoph, welche Bedeutung hat Cultural Fit im Recruiting für Dich? Wie findet man den optimalen Cultural Fit?
Der Cultural Fit wird zunehmend wichtiger, was auch die Ergebnisse unserer Studie bestätigen. Für mich ist der Cultural Fit der Gegenpart des Professional Fits.
Während Recruiting in den letzten Jahrzehnten fast ausschließlich den Professional Fit, also die Passung auf die fachlichen und persönlichen Anforderungen, fokussiert war, tritt jetzt der Cultural Fit immer stärker in den Vordergrund.
Cultural Fit bedeutet im Großen und Ganzen die Kompatibilität zwischen den Werthaltungen des Unternehmens und des oder der Kandidatin. Verhaltensweisen lassen sich erlernen, Werthaltungen bleiben in der Regel stabil.
2. Unternehmenskultur ist ja nicht ganz einfach zu messen – welchen Ansatz verfolgt ihr mit dem Cultural Fit Evalueator?
Zunächst orientieren wir uns am Modell von Edgar Schein, das Unternehmenskultur in drei Ebenen gliedert:
Die nahezu unbewusste und in Tests nicht messbare unterste Ebene der universelle Grundannahmen blenden wir aus.
Wir konzentrieren uns auf die Ebene des „Bauchs“ der Unternehmenskultur, die Werthaltungen. Werte sind ziemlich stabil und lassen sich ganz gut messen. Außerdem sind kollektive Leitwerte auf Unternehmensseite und individuelle Wertepräferenzen auf Personenseite gut miteinander vergleichbar.
Die nach Schein oberste Ebene rundet unsere Messung ab. Dies sind beobachtbare und bewusste Rituale bzw. Verhaltensvorlieben – Schein nennt diese die „Artefakte“. Dem stehen die individuellen Verhaltensvorlieben von Personen gegenüber.
Wie gesagt, konzentrieren wir uns auf die mittlere Ebene der Werthaltungen, nur der letzte Frageteil bezieht sich auf die Rituale.
Unser Cultural Fit Evalueator fragt durch den Einsatz unterschiedlicher Frageformate diese beiden relevanten Kulturebenen ab und wir erhalten so rasch sehr gute Einblicke. Das funktioniert übrigens auch auf mobilen Endgeräten sehr gut.
Die so geschaffenen Ergebnisse werden mit der Unternehmensvorgabe gematcht und so erhalten Recruiter eine genaue Rückmeldung über den Grad des Cultural Fits eines Kandidaten und Informationen in welchen Aspekten der Match oder Mismatch besteht. Das visualisieren wir zusätzlich in einer Wertelandkarte. Dieses Material bietet gutes „Futter“ für ggf. nachfolgende Bewerberinterviews.
3. Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage basiert der Cultural Fit Evalueator und welche praktischen Erfahrung gibt es schon damit?
Uns ist sehr wichtig, dass das gesamte Tool auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Gleichzeitig möchten wir Unternehmen die Möglichkeit bieten ihre Kultur und Werte in großer Klarheit abzubilden. Dies dient uns als Referenzpunkt für die Messung.
Wie erläutert stützen wir uns in unserem Konzept auf das Kulturebenenmodell von Schein, in der konkreten Wertmessung zusätzlich auf die Arbeiten von Schwartz.
Wir haben diese Grundlagen im Praxistest immer wieder überarbeitet und verbessert. Damit erreichen wir in allen relevanten Qualitätszahlen, wie der Validität und der Reliabilität schon sehr gute Werte, die wir im laufenden Betrieb noch weiter verbessern.
Der Cultural Fit Evalueator ist neben intensiver eigener Nutzung nun auch beim Kindernothilfe e.V., einer großen gemeinnützigen Organisation, im Einsatz. Weitere Unternehmen werden folgen, die Gespräche sind intensiv und die Feedbacks zum Tool sehr gut.
4. Wo kann der Cultural Fit Evalueator hilfreich im Recruiting sein? Wie sollte er eingesetzt werden?
Der Cultural Fit Evalueator hat im Recruiting zwei Einsatzfelder: Er kann sowohl individuell je BewerberIn zur Personalauswahl, als auch als anonymisiertes Self-Assessment via Karriere-Webseite eingesetzt werden.
Im ersten Fall bedeutet das, dass man den Fit für einzelne KandidatInnen bestimmen kann und als zusätzliche Information zur Entscheidungsfindung vorliegen hat. Dazu gibt es jeweils einen individuellen Report mit einem konkreten Matchingscore.
Im zweiten Fall kann man unser Tool auch auf der eigenen Karriere-Seite einbinden, wo Interessenten anonym ihren Fit selbst bestimmen können. In diesem Szenario profitiert der Arbeitgeber einmal von der positiven Selbstauswahl geeigneter KandidatInnen, zum anderen werden Daten über die Cultural Fit- und Wertelandschaften von den Jobsuchern gewonnen. Damit kann das betreffende Unternehmen die eigene Employer Brand und Personalmarketing-Kommunikation besser auf seine Zielgruppen ausrichten.
Über das Recruiting hinaus kann der Cultural Fit Evalueator auch als Tool zum Kulturfeedback als Unterstützung von Change- und Transformationsprozessen eingesetzt werden. Eine erste Anfrage hierzu haben wir bereits vorliegen.
5. Zum Abschluss: Cultural Fit – Was ist Deine zentrale Empfehlung für RecruiterInnen?
Wer echte ÜberzeugungstäterInnen fürs Unternehmen finden und auswählen möchte, sollte das Thema Cultural Fit stets auf dem Schirm haben.
Die Beschäftigung mit der eigenen Unternehmenskultur und deren Leitwerte ist dazu eine wichtige Basis. Aufbauend darauf ist es sinnvoll zu verstehen, welche Art von BewerberInnen die eigene Arbeitgebermarke und das eigene Personalmarketing anzieht. Hier besteht die Chance noch besser mit den Wunschkandidaten auf „eine Wellenlänge“ zu kommen.
Abschließend ist es dann zweckmäßig das Kriterium der unternehmenskulturellen Passung in der Personalauswahl entsprechend zu gewichten und einen verlässlichen Prozess für dessen Überprüfung bei den KandidatInnen sicher zu stellen.
In der finalen Auswahl muss es dann nicht immer der nahe 100%-Match sein, sondern ggf. auch mal KandidatInnen, welche zwar anschlussfähig an die vorherrschende Kultur sind, aber dennoch Neues mitbringen. So funktionieren dann Diversity und Cultural Fit Hand-in-Hand.
Danke, Christoph, für Deine Antworten und noch viel Erfolg mit dem Cultural Fit Evalueator.
Natürlich habe ich den Cultural Fit Evalueator selbst ausprobiert und fasse hier meine persönliche Einschätzung zusammen.
Mein Fazit: Einfaches Matching mit nötigem Tiefgang
Der Cultural Fit Evalueator basiert auf den Arbeiten von Edgar Schein und Shalom Schwartz und setzt diese Modelle merkbar – wer sie kennt 😉 – und konsequent ein.
Das Matching beginnt mit dem Online-Fragebogen. Dieser ist durch seine Dreiteilung sehr abwechslungsreich – in gut 10 Minuten ist man durch alle Fragen durch.
Die Einbindung in Karriere-Seite erfolgt per Link und ist (derzeit) optisch nur eingeschränkt anpassbar. Dafür kann der Online-Weg des Kandidaten sehr individuell bestimmt werden, z.B. in dem man ab einem bestimmten Score-Wert auch einen Call-To-Action (CTA) einbindet.
Die Auswertung für Kandidatinnen und Recruiter ist konfigurierbar und jedenfalls ausführlich (ca. 6 Seiten). Dabei ist nicht nur der Gesamt-Score an sich (in meinem Fall matche ich zu 62% mit der Demo-Firma) interessant, sondern auch die optische Übersicht über die Passung aller KandidatInnen eines Recruiting-Projekts (nur eine Handvoll Kandidaten waren im Ranking vor mir, also matchen besser).
Damit kann der Gesamt-Score absolut vielleicht niedrig sein, aber im Vergleich zu allen Bewerbern betrachtet dennoch interessant (mit anderen Worten: einen besseren Fit bekomme ich hier wohl nicht).
Auf der Wertelandkarte sind dann alle acht Wertefamilien sowie deren Ausprägung und Match verzeichnet. Diese Werte stehen für sich alleine und sind in ihrer Ausprägung unabhängig voneinander, implizieren aber (auch in ihrer Anordnung) gewisse Polaritäten (Einfluss & Durchsetzung – Nachhaltigkeit, Leistung – Gemeinschaft, Freiheit & Selbstbestimmung – Zugehörigkeit & Tradition, Stimulanz – Ordnung & Sicherheit).
Die 4 Kategorien der Rituale (Vertrauensbildung, Entscheidungsbildung, Feedback-Kultur, Kommunikationsstil) werden ebenfalls rückgemeldet, basieren allerdings auf jeweils nur einer Skalierungsfrage. Damit liegt das Schwergewicht des Matchings ganz klar auf den (persönlichen wie kulturellen) Werten.
Auch wenn es bereits andere Anwendungen z.B. im Change Management gibt, ist der Cultural Fit Evalueator fürs Recruitung gemacht.
Und dieses Tool macht genau das, was es verspricht: den Cultural Fit im Recruiting sichtbar machen. Und das auf wissenschaftlich fundierter Basis und technisch in gut handhabbaren Weise.
Wer Christoph Athanas und den Cultural Fit Evalueator gerne persönlich und live kennenlernen möchte, kann dies am kommenden HR BarCamp in Wien (22./23. September 2016) gerne tun. Tickets für Personaler sind noch verfügbar.