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Es gibt Studien, die bringen Ergebnisse, die man in dieser Deutlichkeit gar nicht lesen wollte; wie z.B. die jüngste Cultural-Fit-Studie von meta HR und Employour.

Manchmal ist es ja besser, nicht zu fragen.

Dabei wollten Christoph und Philip Athanas von meta HR sowie Eva-Maria Friese und Nick Pfisterer von Employour doch nur wissen, was Personaler von Cultural Fit halten, was sie in der Praxis damit umgehen und welche Instrumente sie dafür einsetzen.

Sie haben über 400 HRler gefragt und das haben wir jetzt davon:

  • Ist Unternehmenskultur wichtig? – Ja, eh!
    Nur rund 10% der Personal halten Unternehmenskultur für unwichtig. Was haben diese 10% versäumt?
  • Ist Cultural Fit im Recruiting wichtig? – Ja, eh!
    Knapp 20% finden, dass Cultural Fit eh nicht (so) wichtig ist. Auch nicht unbedenklich.
  • Kennen Sie das Konzept des Cultural Fit? – Ja, eh!
    Nur knapp 30% stimmen dem (eher) nicht zu. Vielleicht waren das ja die Ehrlicheren 😉

Kurze Anmerkung für meine Leser außerhalb des Alpenraums: In Österreich verwenden wir “Ja, eh!” als Antwort, die in etwa “Ja, sowieso” bedeutet und gleichzeitig meint, dass es wichtigeres als diese Frage gibt 😉 

Die weiteren Ergebnisse bestätigen diese Ja, eh!-Haltung und lassen erahnen wie es ums Recruiting in manchen Unternehmen wirklich steht: Recruiting nach dem Prinzip Glaube, Liebe, Hoffnung.

Gut, es sind ja immerhin die drei göttlichen Tugenden. Doch gehören diese nicht eher in Kirchen oder Dramen (wie jenes von Öden von Horvath)?

Und was hat das mit einem Segel-Törn zu tun? Das verrate ich Ihnen gleich.

Cultural Fit – was ist denn das überhaupt?

Cultural Fit ist die Komplementär-Dimension zum Professional Fit, wenn es im Recruiting um Kandidatenauswahl geht.

In der Studie findet sich diese schöne Grafik, die beide Dimensionen mit dem optimalen Match zeigt.

Cultural Fit als Komplementär-Dimension
Quelle: meta HR Unternehmensberatung http://www.metahr.de

Selbst gut gebuchte Recruiting-Consultants zeigen sich von dieser “neuen” Seite des Kandidaten-FITs überrascht.

Erst unlängst erzählte mir ein Partner eines renommierten Instituts, das er nun DAS entscheidende Element im Recruiting entdeckt habe: die Unternehmenskultur.

Diese Erkenntnis nach 25 Jahren (!!!) Erfahrung in der Personalberatung. Seine Fehlbesetzungen hatte er in einer schönen Grafik mit dabei (Mehrfachnennungen möglich): jeweils ein Fünftel der Kandidaten hatten sich besser verkauft oder sind an geänderten Job-Anforderungen gescheitert. 44% hatten es einfach nicht drauf (professional fit), aber ganze 68% kamen einfach mit der Kultur nicht klar (oder die Kultur mit denen).

Naja, das Thema scheint ja ordentliche Aha-Effekte auszulösen, selbst nach 25 Jahren (von Kunden bezahlter) Erfahrung. Erfahrungsjahre sollen ja nicht immer hilfreich sein, wie gute Recruiter wissen.

Diesen Aha-Effekt konnte ich in den befragten Unternehmen anhand der Studie (noch?) nicht ausmachen. Ich interpretiere mal die Ergebnisse.

Wenn Sie es anders sehen, ist ja unten Platz für Ihre Kommentare.

Glaube: Cultural Fit findet Beachtung.

Cultural Fit ist ja wichtig (Ja, eh!).

Und dennoch schätzen die Personaler den Cultural Fit als Einstellungskriterium bei unterschiedlichen Funktionen als unterschiedlich wichtig ein: In der Produktion, im Finanzbereich oder in der IT ist der Cultural Fit weniger wichtig, im Management und im Personalbereich jedoch sehr!

Wie kommt denn das? Arbeiten diese Funktionen nicht mit anderen zusammen, unterliegen diese nicht den ungeschriebenen Gesetzen des Unternehmens oder glaubt man einfach, dass Finanzer ihre persönlichen Werte sowieso nicht ausleben und ITler ohnehin nur hinter den Bildschirmen sitzen?

Vielleicht liegt diese Differenzierung daran, dass etwa die Hälfte der Unternehmen ja eh ein den Cultural Fit im Bewerbungsverfahren einsetzt. Ein standardisiertes Verfahren setzen aber nur knapp 9% ein.

Oder es spielen die persönlichen Einschätzungen eine entscheidende Rolle, wie eine andere Studie vermuten lässt: selbst beim Professional Fit verlassen sich viele Recruiter auf sich selbst: Nur 10% nutzen eignungsdiagnostische Verfahren als wesentliche Entscheidungsgrundlage bei der Einstellung, über 70% verlassen sich ausschließlich auf das eigene Urteil.

Liebe: Entscheidung trifft Sympathie.

Ein Großteil der befragten Personaler will die kulturelle Passung eines Kandidaten anhand der bekannten Auswahl-Instrumente erkennen: Bewerberunterlagen (80%) und des Interviews (91%).  Cultural Fit durch Hellsehen, also. Probetage (19%) scheinen den Befragten nicht so geeignet zu sein.

Immerhin erfassen 18% der befragten HRler den Cultural Fit immer und weitere 24% gelegentlich mit Persönlichkeitstest – sagen sie. Na, da hätte ich mal gerne gewusst, wie hier valide Ergebnisse herauskommen.

Aber vielleicht mache ich mir hier zu viele (theoretische) Gedanken, wenn der Cultural Fit durch klassische Wahrnehmungsfehler ohnehin berücksichtigt ist: Ähnlichkeiten zwischen Entscheidern und Kandidaten sorgen ja bekanntlich auch für einen gewissen Cultural Fit.

Hoffnung: Sind sie fit, bleiben sie länger!

Offensichtlich nährt das Konzept des Cultural Fit die alten Recruiting-Hoffnungen neu. Erwartet werden höhere Mitarbeiterbindung (64%), höhere Mitarbeitermotivation (53%) sowie bessere Performance (44,1%). Ja, eh! Mit anderen Worten: Die Leute sollen lange bleiben und gut arbeiten. Damit ist dann mal Ruhe im Recruiting.

Doch Unternehmenskultur ändert und entwickelt sich. Menschen auch. Cultural Fit ist ja keine Erbpacht.

Schnelleres Onboarding (32%) und weniger Früh-Fluktuation (46%) wird deutlich seltener mit Cultural Fit in Verbindung gebracht. Warum eigentlich?

Cultural Fit: mehr Segeln, weniger schwimmen!

Glaube, Liebe, Hoffnung – nein, damit wird das nichts.

Wer so an der Oberfläche schwimmt, kann sich nur über die Flaute freuen, damit er nicht untergeht. Und einfach mal ruhig weiterschwimmen.

Cultural Fit ist wichtig. Ja, eh! Doch wer damit nicht baden gehen möchte, muss auch was tun. Zum Beispiel die kulturelle Dimension im Recruiting aktiv “bewirtschaften”; und damit gerüstet sein fürs offene Meer.

Cultural Fit ist nicht nur Auswahldimension, sondern auch ein Gestaltungselement, das gut genutzt werden könnte. Und damit die unternehmerische Reichweite des Recruitings über die einzelne Besetzung weit hinaus bringt.

Alles, was Sie dazu brauchen, sind 2 Dinge:

  1. die eigene  Kultur erkennen und
  2. Balance halten.

Zuerst müssten Sie Ihre Kultur im Unternehmen kennen, einschätzen, beschreiben, vielleicht auch messen.
Das ist aufwändig, aber notwendige Voraussetzung für einen sicheren Cultural Fit. Außerdem sollten Sie diese Übung ohnehin schon für ein stimmiges Employer Branding gemacht haben. Anregungen, wie Sie das tun könnten, finden Sie im Interview mit Christina Grubendorfer.

Dann können Sie Balance finden und halten. Dabei ist mehr Fit nicht unbedingt besser.
Jede Neu-Besetzung hat auch einen Effekt auf die Unternehmenskultur und beeinflusst gleichzeitig wiederum die Passung.
Gutes Recruiting achtet auf eine grundsätzliche kulturelle Passung (der Professional Fit mal vorausgesetzt), nutzt aber auch den Impuls der Neu-Besetzung für die Entwicklung der eigenen Kultur.

Das braucht Balance. Gute Balance – zwischen Cultural Fit und Cultural Mis-Fit. Mit einer fundierten Diagnostik sowohl fachlicher wie auch kultureller Hinsicht und etwas Mut schaffen Sie das.

Ja, eh!

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