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Wir kennen sie alle – die Totschlagargumente, warum ein (neues) Lernangebot gerade jetzt oder so oder überhaupt nicht passt. Doch wie begegnen wir diesen Killerphrasen am Besten?

Gemeinsam mit anderen Corporate Learning Expertinnen haben wir in zwei Sessions an den Corporate LearningDays #cld21 die bekanntesten Argumente zusammengetragen und Immunisierungsstrategien für Personaler skizziert.

Mit diesem Beitrag fasse ich – wie versprochen – die Ergebnisse zusammen, natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne jegliche Gewähr. Ergänzungen Erweiterung oder Widersprüche sind unten in den Kommentaren immer herzlich willkommen.

“Feinde” des Corporate Learnings lauern überall

Man könnte annehmen, dass es gerade Entscheider die Quelle des Widerspruchs sind. Doch nicht immer ist es Geschäftsführung, die als erster Argumentationsgegner widerspricht. Viel öfter sind es direkte (Linien-)Vorgesetzte. Und manchmal sind es auch Mitarbeiter selbst, die “gute Gründe” vorbringen, warum das alles nicht geht. Und in wenigen Fällen bedienen sich auch Personalentwicklerinnen oder Trainerinnen aus diesen Standardargumenten.

Insgesamt konnten wir auf den Corporate LearningDays alle Einwände auf fünf Top-Argumente reduzieren. Also, mit diesen Aussagen werden Corporate Learning Initiativen gerne auf den Prüfstand gestellt:

Argument 1: Das ist doch alles viel zu teuer.

Zeit ist knapp. Und weil Zeit oft auch Geld ist, ist es letzteres meist auch. Kurzum: Der Einwand (übermäßiger) Kosten kommt meist rasch. Und damit verbunden ist die (implizite) Frage nach den Wirkungen und Ergebnissen. Bringt das was? Aber dazu kommen wir noch später bei Argument 4.

Hand aus Herz: Budgets sind doch kein echtes Argument. Budgets werden gern vorgeschoben, wenn der Wert nicht erkannt werden kann oder etwas grundsätzlich nicht gewollt wird (und andere schlagkräftige Argumente fehlen). Sonderbudgets für was auch immer, sind immer möglich, wenn man etwas wirklich will und braucht.

“Es gibt immer und überall Sonderbudgets, wenn es das Wert ist – wenn man daran glaubt”.

Budgets sind vielfach tatsächlich eine Frage des “Glaubens”. Bestes Beispiel dafür ist der Grund-Konsens in Unternehmen, dass Trainings helfen und daher gemacht werden sollten. Der Nutzen wird angenommen und nur selten weiter hinterfragt. Dabei liefert uns die Forschung hinsichtlich Trainingswirksamkeit nur ernüchternde Befunde. Echte Ergebnisse anhand knallharter Fakten sind beim Lernen schwer nachzuweisen.

Dazu kommt: Lerninitiativen lassen sich in klassischen Mustern evaluieren. Selbst gestandenen Kaufmännern oder erfahrenen Kauffrauen passiert es, dass sie bei unklarem Nutzen leicht Aufwand mit Investition verwechseln. Während Aufwand für den Produktionsprozess aufgewendet werden muss, so zahlt sich heutiges Investment durch zukünftigen Einsparungen, Produktivitätssteuerungen etc. wieder aus. Und da wären wir wieder bei der Wirkungsgarantie (siehe Argument 4), die es aber so nicht geben kann.

Was bleibt, sind Annahmen und Glaubenssätze von Entscheidern. Kennen wir sie, können wir unsere Argumentation danach ausrichten. Oft hilft schon die argumentative Verknüpfung mit strategischen Zielen, das kann den Zahlenk(r)ampf oft schon mildern.

Ein Expertentipp für ganz harte Diskussionen, z.B. “Warum sollen wir das finanzieren – die machen das und dann kündigen sie”, oder “Die Mitarbeiter lernen jetzt was und bauen Kompetenzen auf – und dann haben wir keine passende Stelle frei.” Da hilft nur die Gegenfrage: Können wir es uns leisten, dies nicht zu machen? Im ersten Fall kündigen sie vielleicht sogar gleich, im zweiten fehlen uns zukünftig Optionen für Besetzungen, die am Markt vielleicht schwer oder gar nicht zu bekommen sind. Aus Kostengründen, nichts oder nichts Ausreichendes zu unternehmen, ist ja schließlich auch keine Lösung.

Also, können wir uns auch selbst fragen: Können wir es uns leisten, das vorgeschlagene Projekt NICHT zu machen? Was wären die Folgen, was wären mögliche Alternativen, mit welchen Kosten hätten wir dann zu rechen?

Kaum hätten wir diese Argumentationshürde übersprungen, kommt dann:

Argument 2: Dafür haben wir (jetzt) keine Zeit.

Zeit ist knapp (habe ich das nicht schon erwähnt?). Deshalb werden für Lernphasen benötigte Zeitressourcen gerne in Frage gestellt. Denn schließlich müssen die Lernenden ja (vorrangig) arbeiten.

“Geht das auch kompakter? Brauchen wir da wirklich einen Workshop, kann man das nicht in einem Team-Meeting kurz besprechen?”

Der Wunsch ist ja nachvollziehbar: die Mitarbeitenden sollen nicht zu lange weg vom Arbeitsplatz oder der Linie sein, das Tagesgeschäft darf darunter nicht leiden. Produktivität first!

Lernprozesse sind selbst effizient und sorgen erst später für Produktivität. Deshalb sollten wir den Blick auf unterschiedliche Zeithorizonte im Management richten: was brauchen wir heute UND was brauchen wir in Zukunft. Die Vorbereitung auf die Zukunft muss ich in den aktuellen Alltag integrieren lassen – sonst haben wir vielleicht keine mehr. Führung bedeutet in vielen Fällen, nicht entweder oder, sondern sowohl als auch. Das gilt auch für den Ausgleich zwischen operativen und strategischen Maßnahmen. Um also auch in Zukunft produktiv sein zu können, muss ich heute Produktivität in (vorerst) unproduktive Lernprozesse investieren.

In unseren Settings können wir diese Balance aber gut unterstützen, z.B. machen es wiederholende, zeitlich kurze Settings viel einfacher, sich ins Tagesgeschäft zu integrieren. Größere (Halb/Tages-)Termine werden gerne verschoben, oder teilweise sogar abgesagt. Bei Linien-Managers hilft mitunter, auf äußere Zwänge wie rechtliche Rahmenbedingungen o.a. hinzuweisen. Bei Mitarbeitern gilt es, zuerst “den Kopf frei zu kriegen”. Wenn das Angebot “cool und attraktiv” empfunden wird, hilft das sehr und senkt den Widerstand selbst in stressigen oder druckvollen Phasen.

Das Zeit-Argument kann aber auch ganz anders kommen: “Es passt grad JETZT nicht”. Es sind die (zeitlichen) Umstände, die – im besten Fall – zur Diskussion führen: “Das lohnt sich jetzt nicht mehr, es sind ja bald [Sommerferien, Weihnachten, Ostern, …] (Nicht-Zutreffendes bitte streichen oder Eigenes einsetzen)

Irgendwas ist immer. Einen idealen Zeitpunkt, wo sind “eh nix anderes” am Plan gestanden wäre, gibt es nur ganz, ganz selten. Tipp der Gruppe: Eine erstmalige, einmalige Verschiebung gerne zulassen und die Ersatztermine selbst festlegen lassen. Aber dann gilt: was liegt, das pickt.

Argument 3: Wir machen doch eh schon total viel!

“Schon wieder was Neues? Wie lange wird es wohl dauern, bis das dann wieder umgestellt wird?”, hört man oft von kritischen Mitarbeitern.

Neue Angebote oder unbekannte Formate haben´s da noch viel schwerer: “Warum sollten wir das so tun? Das hat noch nie funktioniert. Da haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen”. Oder knapp:

“Die anderen, auch großen, Unternehmen machen das ja auch so.”

Hier hilft nur die “Nicht-Vergleichbarkeit” auch auf anderen Ebenen mit diesen Unternehmen ins Treffen zu führen. Umsatz, Produktivität, Produktpalette – hier kann man nach bleiben wählen. Irgendwas gibt es immer, was die anderen haben und wir selbst nicht. Das muss ja kein Nachteil sein 😉

Und wer´s damit argumentativ bis hierher geschafft hat, scheitert oft an anderen, organisatorischen Ausreden Gründen: “Das kann ich als kleine Führungskraft sicher nicht selbst entscheiden.” Ja, eh.

Argument 4: Was wird das alles bringen?

Und zu guter Letzt, die wohl größte Hürde: “Welche Ergebnisse haben wir aus dem Invest denn konkret zu erwarten?”, also

“Was kommt denn da bei raus?”

Hier sind wir in der Königsdisziplin der Einwandbehandlung, deshlab biegen manche schon nach Argument 1 gleich hierher ab. Nur weil Du die Erwartung einer cent-genauen Antwort erfüllen kannst, bedeutet das noch lange nichts. Denn diese Antwort gibt es in den meisten Fällen gar nicht.

Denn mit dieser Frage werden Veränderungsprozessen “lineare Logiken” unterstellt: wenn ich A unternehme, erhalte ich mit (hoher) Wahrscheinlichkeit B. Diese Linearitäten gibt es aber so nicht, schon gar nicht wenn es sich um Lern- oder Veränderungsprozesse handelt.

Natürlich zielen unsere Aktivitäten im Corporate Learning auf Wirkungen. Diese erreichen sie – oder auch nicht. Das ist im Nachhinein schon nicht genau bestimmbar, und schon gar nicht vorneweg.
Jedenfalls haben sie aber immer auch Neben-Wirkungen: also Impulse für die Kultur, persönliche Erfahrungen und “stille” Lernerfolge so en passant, ganz nebenbei. Diese sind noch weniger bestimmbar, aber ebenfalls von Wert.

Ob und welche Wirkungen erzielt werden, liegt auch nicht immer an den Aktivitäten alleine, sondern auch bei den direkten Führungskräften. Das beste Training kann seine Wirkung verfehlen, wenn die Führungskraft den Transfer nicht unterstützt. Es gibt keine “Mitarbeiter-Waschstraße”, durch die Trainingsanbieter oder Personalentwicklungs-Abteilung Mitarbeiter durchschleusen, und dann kommen sie fix und fertig zurück in Teams. Also, lassen wir Auftraggeber und andere wesentliche Protagonisten nicht aus ihrer Verantwortung – Lernen ist ja – auch in diesem Sinne – ein sozialer Prozess.

Es liegt also in der Hand vieler, ob die Initiative ein Erfolg wird. Aber deshalb nichts unternehmen? Nein, das macht ja auch keinen Sinn. Einen Tipp sollten wir Corporate Learning Experten aber jedenfalls beherzigen: Die Ziele unserer Aktivitäten vorab möglichst genau definieren – und danach kritisch reflektieren: Haben wir unseren beschriebenen Ziele erreicht? Woran könnten wir das mit Kennzahlen oder Beobachtungen festmachen? Was haben wir für Folgeaktivitäten daraus gelernt?

Argument 5: Können wir das auch intern abwickeln?

Ja, sicher. Viele Aktivitäten sind auch intern sicher (gut) umsetzbar. Doch nicht immer ist dies sinnvoll. Entweder weil wir aus einer internen Rolle heraus nicht so wirkungs- und vertrauensvoll agieren können wie externe Partner. Oder weil es einfach wirtschaftlich nicht vertretbar wäre, Spezial-KnowHow nur für EINE geplante Aktivität aufzubauen, die externe Dienstleister “out-of-the-box” schon mitbringen.

Und wenn es bei dieser (letzten) Frage darum geht, weitere Kosten sparen zu können, dann verzage nicht: Zurück zum Start und wieder bei Argument 1 beginnen.

Ich wünsche Euch viel Erfolg bei Euren Pitches und freue mich auf Ergänzungen oder Kommentare (siehe hier gleich unten).

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