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Ja, das haben wir uns beim ÖAMTC auch gefragt. Und es einfach mal ausprobiert. Der Weg entsteht, indem man ihn geht. Irgendwie passend zur Expedition Führung. 😉

Selbststeuerung in der Führungskräfte-Entwicklung ist das Thema der dritten MOOC-Woche des #CL20 “Corporate Learning 2.0“, die wir als Personalentwickler im ÖAMTC gestalten dürfen. Von unserer Idee dazu sowie über die Umsetzung im ÖAMTC habe ich hier ja schon berichtet. Hier möchte ich – diesmal etwas ausführlicher – mehr über die Entstehung des Konzepts erzählen.
Ja, und wenn Ihnen dazu Ideen kommen, wie das anders oder besser ginge, freue ich mich, wenn Sie diese mit mir und den MOOC-Teilnehmern teilen!

Selbststeuerung – was heißt denn das?

Die Idee war geboren: Wir wollten Selbststeuerung in der Führungskräfte-Entwicklung beim ÖAMTC ermöglichen. Wir haben uns davon eine stärkere Beteiligung aller Führungskräfte sowie höhere Transferraten im Alltag gegenüber klassischen Trainings erhofft.
Somit haben wir uns von den tradierten Konzepten der Führungskräfte-Entwicklung verabschiedet und starteten das Experiment: einen Rahmen zu schaffen, in dem Lernen der Führungskräfte selbstgesteuert möglich wird.
Doch wie sollten wir diesen Rahmen nennen? Wir suchten nach passenden Metaphern und wurden fündig: Expedition. Eine Reise ins ungewisse, die zeitlich begrenzt ist und neue Erkenntnisse schafft. Wir fanden das passend und einigten uns daher auf “Expedition Führung”.

Der Vorschlag der “Selbststeuerung” erzeugte im Management zunächst Skepsis – heißt dann nun, jeder macht was er will? Schaut da auch jemand drauf, was das passiert? Und was machen wir, wenn es schief geht?
Alles gute Fragen, auf die wir erst Antworten finden würden, wenn wir es ausprobieren. Was wir dazu brauchten: Vertrauen! Vertrauen des Management in seine Führungskräfte – ja, das war vorhanden. Und Vertrauen in uns als Personalentwickler – wir wussten nicht, was auf uns zukommt und konnten auch nicht mir langen Vorbereitungs- oder Vorlaufphasen rechen. Auch dieses Vertrauen war vorhanden – wir wussten, wir schaffen das! Und damit machten wir uns auf den Weg, einen guten Weg zur Expedition Führung zu finden…

Als erfahrene Personalentwickler wussten wir, dass es für Menschen nicht leicht ist, selbst eigene (Entwicklungs-)Wege zu finden: Das Selbstbild entspricht nicht immer dem Fremdbild. Bestimmte Themen werden (auch von Führungskräften) lieber gebucht, v.a. solche, in denen man ohnehin schon recht gut ist. Andere Themen oder neue Themen, in denen man eher unsicher ist, werden meist gemieden.

Die Bindung durch die Kraft der Gruppe

Deshalb war bald klar, dass wir für diesen Rahmen die Kraft der Gruppe nutzen mussten. Dort ist ausreichend Reflexion möglich, dort entsteht auch Motivation. Und in Gruppen war eine Betreuung der einzelnen selbstgesteuerten Lernwege für die Personalentwicklung auch leichter zu unterstützen.
Damit haben wir ein altes Prinzip unserer Führungskräfte-Entwicklung einfach umgekehrt. Anstatt „Wir definieren relevante Themen und finden in der Organisation Teilnehmer dafür“, galt für uns im Rahmen der Expedition Führung: „Wir lassen Führungskräfte sich in Gruppen finden und diese finden ihre Themen selbst.“

[social_quote duplicate=”no” align=”default”]Wir lassen Führungskräfte sich in Gruppen finden und diese finden ihre Themen selbst.[/social_quote]

Und damit hatten wir gleich eine neue Frage zu lösen: Wie schaffen wir eine Gruppenbildung von über 100 Führungskräften, die unterschiedliche Aufgaben in unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen, in unterschiedlichen Branchen an unterschiedlichen Standorten und noch dazu unterschiedliche (nicht immer bekannte) Bedarfe zur eigenen Weiterentwicklung hatten?

Neugier schaffen, Optionen bieten!

Unsere Antwort auf diese Fragen: Marketing!
Natürlich hätten wir ein Führungskräfte-Treffen zu diesem Zweck verordnen können, doch hätte uns (und vor allem die Führungskräfte) das weitergebracht? Nein, das sollte anders gehen. Wir wollten keinen (hierarchischen) Druck aufbauen, sondern einen (emotionalen) Sog erzeugen. Wenn Selbststeuerung in der Gruppe gilt, dann wohl auch für jeden einzelnen. Mit diesem Gedanken haben wir ein weiteres Prinzip der Expedition Führung postuliert: „Freiwilligkeit“. Das heißt, jede Führungskraft schließt sich freiwillig der Expedition Führung an und kann auch jederzeit ihre Teilnahme beenden.
Darum haben wir in die Trickkiste des Marketings gegriffen, um die Führungskräfte auf dieses neue Angebot neugierig zu machen und freiwillig zueinander zu bringen. Wie genau? Das lesen Sie etwas später ….

Wir waren überzeugt: Solange die Teilnahme für die Führungskraft selbst sinnvoll erlebt wird, wird sie dabei bleiben. Falls nicht, ist der Lernerfolg ohnehin in Frage gestellt. Entwicklung wird dann gut möglich, wenn man „selbst das Heft in der Hand hat“, also selbst die Verantwortung für das Lernergebnis übernimmt. Das führte uns schließlich zu Prinzip 3 der Expedition Führung: „Eigenverantwortung“. Jeder steuert seinen Lernprozess selbst und bringt seine eigenen Themen aktiv in die Expedition mit.

Expedition Führung: damit alles im Rahmen bleibt!

Mit diesen drei Prinzipien war der Geist der Expedition gesetzt. Jetzt fehlte nur noch eine verbindliche, kommunizierbare Struktur. Wir legten ein Zeitbudget (max. 15 Monate, max. 8,5 Tage), mögliche (Trainings)Formate sowie Kommunikationsstrukturen fest.

clip_image002.pngJede Gruppe sollte ein „Überthema“ als Orientierungsanker erhalten. Nicht als fixen Plan, sondern als Idee, wohin die Reise wohl führen könnte. In der Praxis zeigte sich dann rasch, dass die Gruppen ohnehin rasch IHRE Themen fanden und das “Überthema” eigentlich keine Rolle mehr spielte.  Alle Treffen, Formate, Themen und Inhalte definierte die Gruppe selbst.

Für persönliche Themen, die in den Gruppen keinen Platz hatten, erhielt jeder Teilnehmer Coaching-Gutscheine, die er bei vorher definierten Coaches einlösen konnte.

Jede Gruppe erhielt einen Expeditionsleiter, der – je nach Thema und Anforderung – mal als Moderator, mal als Coach fungierte. Die Expeditionsleiter waren externe Trainer und Coaches, die sich auf das Konzept eingelassen hatten und mit dieser offenen Form auch gut arbeiten konnten.

Sie hatten die Aufgabe, die Selbststeuerung der Gruppe zu stützen und deren Bedarfe auch für die Personalentwicklung soweit vorzudefinieren, dass diese damit weiterarbeiten konnten.

Also machten wir uns an die Organisation…

Die erste Hürde: der gemeinsame Expeditionsstart

Mit den drei Prinzipien „Selbststeuerung, Eigenverantwortlichkeit und Freiwilligkeit“ war klar: die Teilnahme an der gemeinsamen Start-Veranstaltung muss freiwillig erfolgen.

Wer nie vom Weg abkommt, bleibt auf der Strecke.
Wer nie vom Weg abkommt, bleibt auf der Strecke.

Also beschritten wir schon mit der Einladung zur gemeinsamen Start-Veranstaltung einen ungewöhnlichen Weg: Jede Führungskraft erhielt ca. 5 Wochen vor dem Start-Termin eine Postkarte an ihren Arbeitsplatz – ohne weiteren Kommentar. Bewusst „analog“ und nicht – wie meist gewohnt – digital per Mail.

Erst eine Woche später kam dann die Einladung (ebenfalls per Post) mit einem kurzen Programm, mit der wir zur Start-Veranstaltung einluden.

Dies zeigte Wirkung, die Veranstaltung war im Gespräch … Wir verzichteten auf eine verbindliche Anmeldung zur Startveranstaltung (was nicht minder für Irritation sorgte): wer kommt ist herzlich willkommen.

Einladung zur Expedition Führung
Einladung zur Expedition Führung

Mit gutem Erfolg, denn von den knapp über 100 Führungskräften waren über 60 tatsächlich gekommen. Freiwillig – und besonders neugierig auf das, was da auf sie zukommt.

Die erste Hürde war wohl geschafft! Doch würden sie das Konzept annehmen? Sich auf das unbekannte Format einlassen? Sich tatsächlich zu Gruppen finden?

Die zweite Hürde: Die Gruppenfindung

Wir begrüßten die Teilnehmer mit einem anregenden Impulsvortrag über Führung: Im ersten Durchgang stellte Stefan Gatt Parallelen zwischen seiner MontEverest-Besteigung mit Snowboard und der täglichen Führungsarbeit her. Im zweiten Start sprach Prof. Steyrer sehr launig und fast kabaretthaft über die 10 Erfolgsrpinzipien guter Führung.
Zur Gruppenbildung schlugen wir die schon angesprochenen “Überthemen” vor, von denen wir wussten, dass sie in der Organisation auf Resonanz stoßen würden. Im zweiten Durchlauf stellten wir die gesamte Expedition zusätzlich unter ein gemeinsames Motto: „Menschen bewegen“. Die “Überthemen” für Gruppen orientierten sich daran und lauteten:

  • In Bewegung bleiben, ohne die Balance zu verlieren
  • Bewegung braucht Kontrolle?
  • Bewegung braucht Richtung
  • Andere in Bewegung bringen
  • Mit allen Stärken in Bewegung bleiben

Die Expeditionsleiter stellten das von ihnen übernommene Thema grob vor und zeigten Möglichkeiten von “Expeditionsgebieten” auf. Für alle war im Vorfeld klar, kommt keine Gruppe zu diesem Überthema zustande, gibt es auch keine Expeditionsgruppe in dieses Thema.

Doch dazu kam es nicht. Nicht nur, dass in beiden Durchgängen alle Themen-Vorschläge besetzt wurden (eines sogar doppelt!), fand sich im zweiten Durchgang sogar noch eine Gruppe mit einem zusätzlichen, selbstdefinierten Thema „Organisation bewegen.“ Einen dafür geeigneten Expeditionsleiter haben wir erst nachträglich gefunden.

Doch das Abenteuer ging  weiter! Wie schaffen wir es als Personalentwickler 7 Gruppen parallel gut zu betreuen? Wie viele Führungskräfte würden tatsächlich dabeibleiben? Werden wir den Anforderungen der Gruppen als Personalentwickler in der kurzen Zeit gerecht werden?

Die dritte Hürde: mit den gewünschten Themen Schritt halten…

Die Gruppen starteten und definierten – mit Unterstützung der Expeditionsleiter – ihre Themen selbst. Dabei arbeiteten sie meist „auf Sicht“,  nur die nächste Aktivität wurde konkrete definiert und Termine dazu (vor-)abgestimmt. Planung also weiterhin unmöglich 😉
Wir Personalentwickler waren also permanent gefordert. Wir erhielten von den Gruppen deren konkreten Lern-Bedarf und unterstützten bei der Suche nach Personen und Location sowie bei der Organisation. Hier wurden in kurzen Zeitabständen, teils auch ungewöhnliche oder sehr spezifische Anforderungen, aufgenommen und umgesetzt: Da wurden Exkursionen organisiert, z.B. zu einer Probe der Wiener Philharmoniker, oder zu anderen Firmen wie Coca-Cola, T-Systems, Post oder KTM. Da wurden Experten geholt, wie z.B. Hirnforscher, Militär-Strategen oder bekannte Manager. Und es wurden Trainingswünsche, z.T. unter besonderen Rahmenbedingungen umgesetzt, wie z.B. ein tiergestütztes Training – aber mit Teilnehmern mit Pferdehaar-Allergie. Also haben wir mit Hunden gearbeitet.
Als Personalentwicklung organisierten wir in den 15 Monaten insgesamt 43 Trainings und Workshops, 6 Diskussionsrunden, 7 Exkursionen und viele kleinere Veranstaltungen.

Geschafft: Gut gelaufen, aber meist anders als gedacht!

Alle sind gut und wohlbehalten von ihrer Expedition Führung zurückgekehrt. Die Erkenntnis wurden in einer gemeinsamen Close-Down-Veranstaltung zusammengetragen und mit dem Management diskutiert. Das Feedback von allen Seiten war sehr positiv, obwohl manche mit der Selbststeuerung anfangs ihre Schwierigkeiten hatten.
Die Sorge über die mögliche “Lern-Anarchie” blieb unerfüllt. Sämtliche Themen aus den Gruppen waren auch für die Organisation sinnvoll und hilfreich. Die Selbststeuerung der Gruppen hatte ganz im Sinne der Teilnehmer, aber auch im Sinne der Organisation funktioniert.

Und ein Kritikpunkt aus dem ersten Durchgang konnte im zweiten Durchgang viel besser (aber trotzdem noch verbesserungsfähig) umgesetzt werden: Die Gruppen waren während der gesamten Expedition miteinander in Kontakt: Jede Gruppe konnte sich vorab schon für eine Kommunikationsform entscheiden: Blog, Ansichtskarten oder laufende Treffen mit der Geschäftsführung. Viele Gruppen entschieden sich für Ansichtskarten, auf denen sie die wichtigsten Erkenntnisse des Treffens zusammengefasst und an alle anderen Expeditionsteilnehmer versandt haben.

Meine Erkenntnis aus diesem Abenteuer habe ich hier zusammengefasst.

Das nächste Abenteuer wartet schon!

Aber damit nicht genug, da geht sicher noch mehr! Wir denken gerade über eine Expedition Führung 3.0 nach.

  • Geht Selbststeuerung in der eigenen Entwicklung auch anders? Welche Zutaten bräuchte es dazu?
  • Geht das auch (teilweise) Online? Und wenn ja, was bräuchte es dazu?
  • Oder müssen wir ganz anders denken?

Ich bin schon gespannt auf Ihre Beiträge! Bitte den Hashtag #CL20 nicht vergessen. Danke dafür.

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