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Unternehmenskultur ist die Basis für gutes Recruiting. Doch wie findet man Kultur im Unternehmen, wie macht man Kultur seinen Chefs begreiflich und was ist eigentlich die Paradoxie im Recruiting?

Wer könnte das alles besser beantworten als Christina Grubendorfer.

Ihr jüngstes Buch „Einführung in systemische Konzepte der Unternehmenskultur“ habe ich erst unlängst hier vorgestellt.

Heute habe ich sie gefragt, was aus ihrer Sicht Kultur ist und wie wir am besten damit umgehen. Sie sieht nicht nur das Management oder Personalentwickler, sondern auch Recruiter klar in der Verantwortung.

Grubendorfer-2016-swDie Psychologin und Beraterin Christina Grubendorfer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Führung, Marke und Unternehmenskultur.

Sie war Gründerin und bis 2009 Geschäftsführerin der Deutschen Employer Branding Akademie (DEBA) und widmet sich seither ihrem eigenen Beratungsunternehmen LEA Leadership Equity Association GmbH in Berlin.

Frau Grubendorfer, was antworten Sie, wenn man Sie fragt: „Sagen Sie mal, was soll denn das überhaupt sein, diese Kultur?“

Diese Frage wird mir tatsächlich ab und zu gestellt. Ich beantworte sie dann mit leicht nachvollziehbaren Geschichten.

Kurz gesagt sind Unternehmenskulturen die Antwort auf die Frage: „Wie tickt denn der Laden so?“.

Ein Beispiel: Angenommen Sie arbeiten bei der Bundeswehr, dann haben Sie ganz sicher ein anderes tägliches Erleben, an welche Spielregeln sie sich zu halten haben, als bei IKEA oder bei Greenpeace.
Was muss ich tun, um dazu zu gehören? Was muss ich tun, um einen guten Stand bei Kollegen und Vorgesetzten zu haben?

[social_quote duplicate=”no” align=”right”]Unternehmenskultur sind die Spielregeln, die sich im Umgang miteinander etabliert haben.[/social_quote]

Unternehmenskulturen beantworten die Unterschiede, die zwischen verschiedenen Organisationen im täglichen Arbeiten wahrzunehmen sind. Es geht dabei um die Spielregeln, die sich im Umgang miteinander etabliert haben.

Wenn man die Aufmerksamkeit auf die Unterschiede zwischen den Kontexten lenkt, in denen Menschen arbeiten, und wie es da so ist zu arbeiten, dann ist man schon sehr nahe an dem dran, was Kultur ist.

Wie kann man diese Unterschiede nun konkret fassen oder seinem Chef erklären?

Auch hier würde ich beim eigenen Erleben beginnen.

Ich würde zum Beispiel fragen: „Denken Sie an die Zeit, in denen Sie in anderen Unternehmen tätig waren. Was war Ihnen dort vielleicht möglich, was Ihnen hier nicht möglich ist. Und woran könnte das liegen?“

Ein Mensch kann in einer Organisation High-Flyer sein und sich in einem anderen Unternehmen mit dem gleichen Verhalten unbeliebt machen.

[social_quote duplicate=”yes” align=”default”]Ein Mensch kann in einer Organisation High-Flyer sein und sich in einem anderen Unternehmen mit dem gleichen Verhalten unbeliebt machen.[/social_quote]

In Unternehmen A gilt als intelligent, wer möglichst komplexe Präsentationen bastelt, mit möglichst viel Informationen drauf und kleiner Schrift.
In Unternehmen B würden sich bei so einem Präsentationsstil alle genervt abwenden und wären unwillig, den Aussagen zu folgen …
Und in Unternehmen C ist es gänzlich verpönt, Powerpoint-Charts zu verwenden. Hier wird erwartet, dass der Sprecher seine Kernaussagen auch mündlich rüberbringen kann.

Das alles hat mit dem Kontext, mit dem Deutungsrahmen zu tun, den die Kultur gibt. Gleiches Verhalten wird in unterschiedlichen Kontexten ganz anders bewertet.

Welche Relevanz haben diese Unterschiede für das Unternehmen und den Geschäftserfolg?

Wenn gleiches Verhalten in unterschiedlichen Kontexten anders bewertet wird, stellt sich die zentrale Frage: „Wie organisiere ich meinen Laden nun so, dass meine Leute ihre PS auch auf die Straße bringen?“

Wenn die Kultur zum Beispiel verhindert, dass Leute Ideen einbringen, habe ich ein Problem als Geschäftsführer. Oder wenn in der Kultur nur die erfolgreich sind, die es am längsten schaffen, am wenigsten ohne Leistung aufzufallen, dann wird das Problem nicht kleiner.

Solche Kontexte, die gute Leistung ermöglichen oder aber auch verhindern, hat jeder schon mal erlebt.

Also stellt sich in jedem Unternehmen die Frage: Welche Leistungen ermöglicht die Unternehmenskultur und welchen steht sie im Wege?

Wie können wir unsere Kultur nun so gestalten, dass unsere Leute ihre PS auf die Straße bringen?

Da habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht.

Beginnen wir mit der guten Nachricht: Ja, Sie können Kultur gestalten!

Und damit bin ich auch schon bei der schlechten Nachricht: Das geht allerdings nicht instruktiv, wie manche CEOs das vielleicht gewöhnt sind.

Sie können nicht einfach sagen: Ab morgen machen wir es ganz anders, also ab morgen gehen wir herzlich miteinander um und bringen alle unsere Ideen ein. Und Heureka, von nun an haben wir ein tolles Betriebsklima und jeden Monat ein neues Produkt am Markt. So einfach funktioniert es ja nicht.

Vielen Führungskräften muss man diesen Zahn zuerst ziehen, dass man Kultur einfach anordnen kann. Aber CEOs sind ja Leid gewohnt. Ist das mal klar, muss ich kurz ausholen, um zu erklären, wie man Kultur pflegen und entwickeln kann.

[social_quote duplicate=”no” align=”right”]Führungskräften muss man den Zahn ziehen, dass man Kultur einfach anordnen kann.[/social_quote]

Was ist denn die Rationalität einer Organisation? Es geht darum, heute Entscheidungen für eine ungewisse unsichere Zukunft zu treffen. Es ist doch die ureigene Aufgabe eines CEO, die Zukunft zu antizipieren und Entscheidungen zu treffen, an die sie glauben und hinter denen sie stehen. Mit diesen Entscheidungen absorbieren sie Unsicherheit.

Manche Entscheidungen im Unternehmen wirken stärker als andere und beeinflussen auch weitere Entscheidungen und werden damit zu Entscheidungsprämissen. Von den vier Arten dieser Prämissen, kann ich drei entscheiden, steuern und beeinflussen: Programme, Personen und Kommunikationswege.

Die vierte Prämisse Kultur folgt diesen anderen drei Prämissen wie ein Schatten. Wir können mit den ersten drei Prämissen den Schattenverlauf beeinflussen, aber nicht direkt gestalten.

Damit ist Steuerung und Veränderung von Kultur möglich, aber nie direkt, sondern nur über Bande.

Thomas Sattelberger hat erst unlängst getwittert, es fehle an Lust und Kraft, Unternehmenskultur an das Branding Versprechen anzupassen. Was sagen Sie dazu?

Ja, da hat er wohl Recht.

Im Zuge der Arbeitgeberpositionierung gilt es, die Organisation rund ums Recruiting anzupassen. Da erlebe ich in der Praxis tatsächlich eine gewisse Müdigkeit, manchmal auch Unwilligkeit, in dem Marathon der Markenarbeit auch noch die letzten 15 Kilometer zu laufen.

Das muss man aber auch verstehen, denn Markenarbeit ist echt anstrengend. Dabei gilt es, wirklich Konsequenz zu zeigen: Das bedeutet, wir passen alles auf unsere Marke an, wir achten bei allen Schritten penibel auf die Markenpositionierung und richten alles danach aus. Da kann einem schon leicht die Luft ausgehen.

[social_quote duplicate=”no” align=”left”]Da erlebe ich in der Praxis tatsächlich eine gewisse Unwilligkeit, im Marathon der Markenarbeit auch noch die letzten 15 Kilometer zu laufen.[/social_quote]

Nach meiner Erfahrung sind im Recruiting häufig Menschen tätig, die Kontakte suchen, gerne im Austausch sind und gestalten möchten. Diese Kommunikations- und Gestaltungsfreude ist ja auch sehr wichtig, weil es im Recruiting ja um Dialoge geht.

Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht immer leicht, dass sich diese Personen in allem was sie tun, konsequent am Raster der Marke orientieren.

Das ist die Paradoxie im Recruiting: Wenn die Marke unsere Kommunikation und unsere Aktivitäten führt und damit gleichzeitig auch die Recruiter führt, die eigentlich selbst einen hohen Gestaltungsanspruch haben, sehe ich das als schwer aufzulösende Paradoxie.

Die eigene Kultur ist Grundlage für ein gutes Employer Branding. Ein Unternehmen hat aber nicht nur eine, sondern vielfältige Kulturen. Wie finde ich nun „meine Kultur“?

Dazu braucht es eine gute Analyse.

Hilfreich dazu sind Hypothesen, welche Subkulturen wir denn im Unternehmen orten. Und dann kann ich überlegen, wie ich diese möglichst gut berücksichtigen kann.

Aus diesen Subkulturen können wir gut Gemeinsamkeiten herausarbeiten.  Am Anfang höre ich oft, das geht ja gar nicht, wir sind alle so anders, sind in unterschiedlichen Ländern tätig. Da finden wir sicher keine Gemeinsamkeiten.

Was dann oft passiert, ist kaum zu erklären, wie das funktioniert: Es findet sich immer ein stimmiges Aggregat. Es ist für mich nach wie vor faszinierend, wie Organisationen ihre Grenzen so stark setzen, dass sie selbst über Länder hinweg gut erlebbar sind.

[social_quote duplicate=”no” align=”right”]Was dann oft passiert, ist kaum zu erklären, wie das funktioniert: Es findet sich immer ein stimmiges Aggregat.[/social_quote]

Damit wird genau die gemeinsame DNA der Kultur sichtbar, die ein Unternehmen ausmacht. Und wir finden etwas, das der Organisation ganz stark entspricht und worin sich jeder wiederfindet. Das ist die Basis für eine wirkungsvolle und erlebbare Arbeitgebermarke.

Im Recruiting brauche ich dann wieder alle Ebenen, die gemeinsame Kultur und die ganz spezielle Kultur in diesem Bereich, in dieser Abteilung, in diesem Team. Da braucht es ein Sowohl-als-auch in der Auswahl.

Und Recruiting ist ja gleichzeitig auch wieder Kultur-Gestaltung im oben erwähnten Sinn.

Beim letzten CorporateCultureCamp kam die Frage auf, was denn eigentlich das Gegenteil von Unternehmenskultur sei? Was wäre denn Ihre Antwort darauf?

Das ist eine gute Frage, denn nach Spencer Brown (Laws of Form) ergibt sich eine Form nicht nur aus dem Gegenstand an sich, sondern auch dadurch, wodurch sich dieser Gegenstand von seiner Umwelt abgrenzt bzw. aus seinem Gegenteil. Beides zusammen macht die Form.

Für mich ist das Gegenteil von Unternehmenskultur alles das, was im Unternehmen formalisiert ist. Das beinhaltet alles, was entscheidbar ist und formal die Organisation rahmt.

Danke, Frau Grubendorfer, für das interessante Gespräch!

 

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