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Gute Frage. Also versuch ich es mal mit einer Antwort.Es war Ralf Tometschek, der im Vorfeld des HR Barcamps (meine Nachlese dazu: HR muss tanzen lernen!) mit seinem Sessionvorschlag eine rege Diskussion vom Zaun brach: „Kann man Unternehmenskultur aktiv gestalten? Und wenn ja, wie?“ fragte er auf XING. Seine Session „Unternehmenskultur positiv gestalten“ ging dann an der begonnenen Diskussion leider vorbei. Also mache ich mich hier auf die Suche nach einer Antwort.

Unternehmenskultur, was soll das sein?

Mit dem Begriff „Unternehmenskultur“ ist das ja so eine Sache. Er ist schwammig, sagt wenig aus und beinhaltet zumindest Trilliarden individuelle Vorstellungen darüber, wovon hier die Rede ist. Dazu kommen wir dann noch.

Dazu kommt noch: „Unternehmenskultur“ wird von Führungskräften kaum als Managementthema wahrgenommen und meist milde belächelt. „Wo geht es da bitte ums Geschäft?“ Sehr schnell steht Kulturarbeit im Verdacht, einfach nur ein weiteres „Hab mich lieb“-Konzept unverbesserlicher „Gutmenschen“ zu sein. (Ich weiß, ich übertreibe!)

Dabei könnten die harten (i.e. finanziellen) Auswirkungen dieses weichen (i.e. kulturellen) Ungetüms kaum größer sein: Etwa ein Drittel der Varianz des Unternehmenserfolges lassen sich auf einzelne Elementen der Unternehmenskultur zurückführen.

Die Gründe dafür: Unternehmenskultur wirkt filternd, koordinierend und stabilisierend – und beeinflusst damit interne Einschätzungen, Entscheidungen und Prozesse stärker als irgendwelche Strukturen oder Strategien.

Über Kulturgestalter und Wettermacher

Damit erscheint das Konzept der „Unternehmenskultur“ rasch auf dem Radar erfolgshungriger Manager. Meist verbunden mit einem entsprechenden Gestaltungsanspruch. Verlockend ist die Vorstellung, Unternehmenskultur nach eigenen Vorstellungen oder betrieblichen Notwendigkeiten mal so eben gestalten zu können: Was braucht es für den Erfolg? Was braucht die Marke? Was will der Kunde? Was wünsche ich mir für meinen Managementkomfort?

HR, mach mal! Aktive Kulturgestaltung ist angesagt!

Doch wer sich aufmacht, Kultur am Reißbrett zu entwerfen und dann flächendeckend auszurollen, der könnte sich gleich als Wettermacher betätigen: ach ja, ich bin übrigens auch der Meinung, dass es in unseren Gefilden zu häufig regnet und im Sommer zu wenig warm ist. Und wenn wir schon dabei sind: im Winter ein klein wenig mehr (und vor allem besser verteilter) Schneefall, am Besten nachts, wäre wünschenswert.

Unternehmenskultur wächst und wird nicht gebaut

Nein, ganz im Ernst. Kultur nach Wunschzettel oder gar mit Vorgaben und Verordnungen (und deren Kontrolle) gestalten zu wollen ist fast naiv, aber jedenfalls erfolglos. Millionen von grafisch perfekt gestalteten, aber nicht gelebten Leitbildern sind traurige Zeugen, dass gelebte Kultur nicht verordenbar und beliebig gestaltbar ist.

Unternehmenskulturen werden nicht nach Wunsch gebaut und wie bestellt geliefert. Es geht um menschliches Verhalten, das anderen Gesetzen als Maschinen und Kapital unterliegt: Es kann nicht rational erklärt, vorhergesagt und genauso wenig willentlich gesteuert werden. Nicht mal von der Person selbst.
Und selbst wenn wir unser Verhalten rational und willentlich steuern könnten, würde das nicht ausreichen. Unternehmenskultur ist nicht die Ansammlung individueller Persönlichkeiten und deren Verhalten, sondern ein geformtes, interaktives System.

Kultur entsteht in der laufenden Zusammenarbeit, egal ob gewollt oder nicht. Kultur steuert sich über die laufende Interaktion von selbst. Immer dann, wenn Menschen genug gemeinsame (Arbeits-)erfahrungen machen, beginnt sich Kultur zu formieren. Das gilt für kleine Teams genauso wie für große Unternehmen.

Wie das funktioniert? Handlungen, die bislang zum Erfolg geführt haben, werden von anderen beobachtet und kopiert – und damit verstärkt. Verhalten, das zum Misserfolg führte, wird künftig gemieden.
Damit entstehen unbewusst und unkontrolliert die vielen ungeschriebene Gesetze und überlieferte Gewohnheiten in Unternehmen. So entwickeln sich informelle Riten und Tabus. Die meisten sind völlig unbewusst und im Unternehmen zur nicht mehr hinterfragten Selbstverständlichkeit geworden.

Auf diese Weise erneuert sich Unternehmenskultur ständig und repräsentiert jene gemeinsamen Einstellungen und Grundwerte, die bisher zum Erfolg geführt haben. Kultur ist deshalb so stabil, weil sie die akkumulierte Lernerfahrung im Team bzw. einer Organisation ist.

Unternehmenskultur entwickeln statt gestalten

Damit wird klar: Das Ergebnis von kollektiven Lernprozessen über die Zeit ist wohl kaum gestaltbar. Nicht durch heldenhafte Taten von CEOs. Und auch nicht durch trollige Bemühungen aus HR.

Mit jedem aktiven (bewussten) Gestaltungsversuch wird das (Unbewusste), was bisher zum Erfolg geführt hat, in Frage gestellt. Das sorgt maximal für Irritationen, ändert aber wenig am gelebten Verhalten. Kultur ist eben sich selbststeuernd und kann nicht so einfach gestaltet werden.

Das bedeutet aber nicht, dass man der eigenen Kultur hilflos ausgeliert ist. Kultur ist ja immer in Bewegung und ist extrem lernfähig. Unternehmenskultur verstärkt sich nicht nur durch laufende Interaktion, sondern erneuert sich auf diese Weise immer wieder. Genau dort liegt die Chance der Gestaltbarkeit – im gemeinsamen Lernen von (neuen bzw. anderen) erfolgreichen Verhaltensweisen.

Alles, was es dazu braucht sind Menschen, die beginnen die gewünschte Kultur einfach zu leben. Je einflussreicher diese Menschen, desto erfolgsversprechender. Besonders bewährt hat sich, wenn das Management die neuen Werte und Normen konsistent und konsequent über einen längeren Zeitraum vorlebt.

Doch das ist aufwändig und scheitert nicht immer nur am Zeitmangel. Häufig werden „soft values“ in Leitbildern oder Markenversprechen als neue Kulturelemente niedergeschrieben, „hard values“ allerdings weiterhin gelebt. Ach ja, da haben wir unsere „Businessorientierung“ wieder: „Wir müssen uns auf das Geschäft konzentrieren, fürs Streicheln haben wir keine Zeit

Kulturarbeit ist nichts für einsame Helden

Wenn gemeinsam Erfolge mit neuen Verhaltensweisen erreicht (und diese auch als gemeinsame Erfolge anerkannt) werden, ist die Saat für neue Kulturelemente gesät. Mit der Zeit verändern sich dann auch die unbewussten Normen und Spielregeln der Mitarbeiter. Ganz selbstverständlich und meist unbemerkt.

Kulturarbeit ist nichts für einsame Helden, ganz im Gegenteil. Einsame Helden würden kollektive Lernprozesse erschweren oder gar verhindern. Unternehmenskultur braucht Geburtshelfer, die konsequent im Hintergrund agieren und entsprechende Lernmöglichkeiten schaffen.

Kulturentwicklung, eine mögliche neue Rolle für HR, wie ich es unlängst vorgeschlagen habe (Die Seele des Unternehmens)?
Ja, sicher. Doch Vorsicht! Je besser und stimmiger die Kulturarbeit, desto weniger wird sie bemerkt. HR kann damit wohl keine grandiosen Erfolge für sich verbuchen. Läuft die Kulturentwicklung erfolgreich, ist sie schon wieder vergessen und zur unbemerkten Selbstverständlichkeit geworden. Gelingt sie nicht, wird dies rasch als Misserfolg sichtbar. Dennoch:

Es zahlt sich also aus, Unternehmenskultur zu pflegen

Damit stelle ich fest: Unternehmenskultur ist NICHT gestaltbar, unabhängig wie aktiv man es angeht. Aber sie kann gepflegt und entwickelt werden. Das ist aufwändig und keinesfalls mal so nebenbei gemacht.

Gerade WEIL sie nicht einfach gemacht und aktiv gestaltet werden kann, ist sie so wertvoll und erfolgsentscheidend. Unternehmenskultur ist einzigartig, weil gewachsen und ist somit schwer kopierbar. Damit wird Kultur zu einem möglichen strategischen Vorteil. Oder wie es bei airbnb heißt: „Don´t fuck up the culture!“.

Und genau diese Einzigartigkeit, die sich jeder geplanten Gestaltbarkeit entzieht, ist ja sie die wesentliche Grundlage jeder (Arbeitgeber)Marke, die so kraftvoll und identitätsstiftend wirken kann.

 

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